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Verteidigungsminister Darabos trennt sich von einem ehemaligen Vertrauten, Generalstabschef Edmund Entacher.

APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Querschüsse aus dem Militär und den eigenen Reihen gegen die anstehende Heeresreform: Am Montag holte der Verteidigungsminister zum Gegenschlag aus - und hat den Chef des Generalstabs von seinem Posten abberufen.

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Wien - Drei Stunden und elf Minuten. So lange hat Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) am Montagnachmittag versucht, seinen Generalstabschef Edmund Entacher (ebenfalls SPÖ) auf Parteilinie zu bringen. Der General, einer der höchsten Beamten Österreichs, weigerte sich, dem politischen Druck zu beugen. Woraufhin der Minister ihm den Rücktritt nahe legte. Was Entacher ebenfalls ablehnte.

Denn der General meint, gute Argumente gegen die von Wiens Bürgermeister Michael Häupl verlangte, von Kanzler Werner Faymann unterstützte und schließlich vom bis dahin in der Sache festen Verteidigungsminister angeordnete Abschaffung der Wehrpflicht zu haben. Aber Argumente darf Entacher nicht in die Diskussion bringen. Darabos beruft sich auf die von einer von ihm eingesetzten Offiziersgruppe angestellten Berechnungen, nach denen ein Freiwilligenheer billiger wäre als das derzeitige Wehrpflichtsystem.

Alle namhaften Generalstäbler widersprechen - Entacher hat sich zu ihrem Sprachrohr gemacht. Über die ZiB erfuhr er, dass er freiwillig zurückgetreten sei, kurz danach kam eine offizielle Depesche, mit der Darabos erklärte, dass ihn dienstliches Interesse dazu veranlasst habe, den Generalstabschef abzuberufen: "Ich habe daraufhin den stellvertretenden Generalstabschef, Generalleutnant Othmar Commenda, mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Chefs des Generalstabes betraut", heißt es in der Erklärung des Ministers.

Dem geschassten General, der über alle Parteigrenzen hinweg als Mann der Truppe anerkannt ist, flogen umgehend Solidaritätsbekundungen zu. Selbst die freiheitlichen Personalvertreter, die dem Sozialdemokraten Entacher stets kritisch gegenübergestanden sind, waren voll des Lobes für den Generalstabschef und forderten Darabos auf, sich auf seinen Eid auf die Verfassung zu besinnen. Denn Entacher hat mit seinen Warnungen vor der Aufhebung der Wehrpflicht nur seine gesetzliche Verpflichtung wahrgenommen, die geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen und das Wehrgesetz gegen politische Willkür eines Ministers zu verteidigen.

Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft

Wie der Standard erfuhr, haben rechtskundige Offiziere bereits eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft erarbeitet, in der das Verhalten des Ministers (für den die Unschuldsvermutung gilt) als versuchte Nötigung eines Beamten qualifiziert wird. In der Geschichte der Zweiten Republik gibt es keinen vergleichbaren Fall, wo ein Minister einen Spitzenbeamten in vergleichbarer Weise abberufen hat - schon gar nicht unter Hinweis darauf, dass dieser das geltende Gesetz verfassungskonform vollzogen hat.

Aus der Wiener SPÖ - die nicht auf Parteilinie ist, weil der Vorsitzende der mächtigen Favoritner Parteiorganisation, Anton Gaal, auf Entachers Seite ist - ist bereits zu hören, wer Nachfolger Entachers werden soll: nicht Commenda, sondern Brigadier Karl Schmidseder, der als Militärkommandant von Wien Häupls Vertrauen genießt. Schmidseder gilt als einer der wenigen Offiziere, die dem von den Vertrauensleuten des Ministers entworfenen Freiwilligensystem etwas abgewinnen können. Die wenigen andern der SPÖ zugerechneten Offiziere haben laut Standard-Informationen abgelehnt, "für Minister Darabos Generalstabschef zu spielen".

Im Standard-Gespräch äußert Hannes Swoboda, Vizevorsitzender der Sozialdemokraten im EU-Parlament und Befürworter eines Berufsheeres, Skepsis über das Tempo von Darabos‘ Reformen: "Nachdem man sich lange nichts überlegt hat, ist das jetzt sicher etwas schnell. Ich habe meine Zweifel, ob beides - die Umstellung des Heeres und eine Alternative zum Zivildienst - bis 2012 geregelt sind." (von Conrad Seidl und Nina Weissensteiner/DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2011)