Berlin - Zwei spanische Mediziner vermuten, dass der Komponist Frederic Chopin an Epilepsie litt. Die sogenannte Schläfenlappen-Epilepsie erkläre die regelmäßigen heftigen Visionen des Musikers, meinen die Ärzte in der Zeitschrift Medical Humanities. Der aus Polen stammende Klavierkomponist hatte zeitlebens gesundheitliche Probleme und starb 1849 im Alter von nur 39 Jahren an einem chronischen Lungenleiden. Man erkläre die Sensibilität und Melancholie des Pianisten häufig mit einer etwaigen bipolaren Störung oder Depression, übersehe dabei aber die regelmäßigen optischen Halluzinationen, betonen die beiden Ärzte, ein Radiologe und ein Neurologe, aus der nordspanischen Stadt Lugo.

Sowohl der Musiker selbst als auch sein Umfeld beschrieben mehrfach derartige Sinnestäuschungen. So berichtet Chopins langjährige Lebensgefährtin George Sand, wie er 1838 beim Aufenthalt in einem spanischen Kloster von haarsträubenden Visionen heimgesucht wurde. Bei einer Tournee in England im Jahr 1848 stoppte er plötzlich den Vortrag einer Klaviersonate und verließ den Saal. Er habe Kreaturen aus dem Klavier steigen sehen und nicht mehr weiter spielen können, erklärte er selbst den Vorfall in einem Brief.

Weder Schizophrenie noch Laudanum

Bei einer Schizophrenie hätten Menschen meist akustische Halluzinationen, erläutern die Mediziner. Eine Migräne mit Aura oder eine Augenstörung schließen sie ebenso aus wie die Wirkung von Laudanum. Schon bevor Chopin diese Opiumtinktur nahm, habe er Sinnestäuschungen gehabt.

Eine Schläfenlappen-Epilepsie ist dem Artikel zufolge die wahrscheinlichste Erklärung für die regelmäßigen kurzen Visionen. Da Ärzte Epilepsien damals kaum verstanden, hätten sie diesen Symptomen kaum Bedeutung beigemessen, schreiben die Mediziner und fügen hinzu: "Das Wissen um diese Krankheit könnte dazu beitragen, die romantisierte Legende von der Realität zu trennen und ein besseres Verständnis des Mannes und seines Lebens zu ermöglichen." (red/APA/dapd)