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Es kann gefährlich sein, sich im Cyberspace aufzuhalten - vor allem dann, wenn man nicht nur vor dem Bildschirm sitzt, sondern ins System gezogen wird. Diese Erfahrung musste Jeff Bridges bereits 1982 im Science-Fiction-Klassiker "Tron" sammeln, als er als Programmierer Kevin Flynn in die Computerwelt teleportiert wurde - ein Film, der zur damaligen Zeit mit computergenerierten Szenen Technikgeschichte schrieb. Nun kehrt Bridges mit dem dynamischen 3D-Spektakel "Tron: Legacy" wieder in die Kinos zurück. Filmstart in Österreich ist am Donnerstag (27. Jänner).

Auf faschistoide Gleichschaltung getrimmt

Diesmal ist es an Flynns Sohn Sam (Garrett Hedlund), der nach dem Verschwinden seines Vaters vor zwei Jahrzehnten zum ziellosen 27-Jährigen herangewachsen ist, in die digitale Welt einzusteigen. Dort trifft er auf der Suche nach dem Vater auf dessen jugendlichen Digitalklon Clu, der als Alleinherrscher den Cyberspace auf faschistoide Gleichschaltung getrimmt hat und Sam bedroht. Dieser findet auf der Flucht jedoch auch noch seinen wirklichen Vater, der seit Jahren an der Rückkehr in die reale Welt gehindert wird und sich als eine Art Zen-Mönch gleichsam seinem Schicksal ergeben hat. Gemeinsam mit dem Zögling des Vaters, Quorra (Olivia Wilde), nutzen sie die Chance, dass das Portal zur Realwelt nach Sams Eindringen noch offen ist, und fliehen - verfolgt von Clu und seinen Soldaten.

Memorystick am Rücken

"Tron: Legacy" nimmt das Vermächtnis der Vorlage samt einer gewissen 80er-Jahre-Ästhetik gekonnt auf, behält das Setdesign in Grundstrukturen bei. So wird in der Digitalwelt noch mit Disketten gearbeitet, die als Memorystick am Rücken der lebenden Programme angebracht sind - aber praktischerweise auch als Kampfboomerang verwendet werden können. Auch werden in der von Clu beherrschten Welt wieder tödliche (Computer-)Spiele veranstaltet, während Darsteller Michael Sheen, bekannt als Tony Blair aus Stephen Frears' "Die Queen", den Barbesitzer Castro als Ziggy Stardust-Pardodie gibt. Selbst die französische Houseformation Daft Punk nimmt gekonnt die Anmutung des Originalsoundtracks der Synthesizerpionierin Wendy Carlos auf. Für die nahtlose Übernahme dürfte nicht zuletzt der damalige Regisseur Steven Lisberger gesorgt haben, der bei der Neuauflage als Produzent fungiert und Regiedebütant Joseph Kosinski zur Seite stand.

Zugleich bedient sich die Fortsetzung bei zahlreichen weiteren Werken der Science-Fiction-Geschichte. So hat sich Vater Flynn als weises Zen-Männchen im Obi-Wan-Kenobi-Mantel in sein reinweißes Feng-Shui-Designerappartement zurückgezogen (dessen Ausstattung großteils in der Merchandising-Kampagne erworben werden kann). Da seine "Wir tun nichts"-Philosophie der Dynamik des Plots wohl etwas geschadet hätte, kommt die jugendliche Forschheit des Sohnes stärker zu tragen. Und Vater Flynn zieht schließlich im Look von Zauberer Gandalf aus "Herr der Ringe" in die Schlacht.

Explosion

Als philosophische Grundfrage steht über dem Plot die Frage danach, was Perfektion ist. Clu hat als Alter Ego Flynns dessen damalige Sicht internalisiert, dass man eine perfektdurchorganisierte Welt schaffen könne. Flynn Senior hat dank Sohn und vor allem seiner Mitbewohnerin Quorra den wahren Wert der Perfektion gelernt - Menschlichkeit, Liebe, usw.. Schließlich ist Quorra die letzte Überlebende der ISOs - isomorphe Algorithmen, mit deren Hilfe man sämtliche Geheimnisse der Wissenschaft, Religion und Medizin lösen könnte, ist Flynn überzeugt. Da diese von Clu als unperfekt angesehen werden, hatte er den Rest der Truppe in einem Programm-Völkermord ausgerottet. Um diese psychoanalytische Ebene zu bedienen, vereinigt sich schließlich Flynn mit seinem früheren Ich-Klon in einer gewaltigen Explosion, um so den Gefährten die Flucht zu ermöglichen.

Der eigentliche 3D-Effekt wird als dramaturgischer Schachzug erst vollkommen entfaltet, wenn sich die digitale Computerwelt eröffnet

Die große Stärke des Werks erweist sich allerdings weniger im teils widersprüchlichen und etwas verworrenen Plot, sondern in der visuellen Gestaltung des Films, die keinen Vergleich mit der Innovationsfreude des Jahres 1982 scheuen muss. Der eigentliche 3D-Effekt wird als dramaturgischer Schachzug erst vollkommen entfaltet, wenn sich die digitale Computerwelt eröffnet. Zugleich ist der Einsatz des Tiefeneffekts stets der Dynamik geschuldet und wird nicht für platte Gags eingesetzt. Hier machen sich die 150 Mio. US-Dollar (111 Mio. Euro), die Disney in "Tron: Legacy" investiert hat, bezahlt. Einzig negativ ins Auge sticht die vielbeworbene digitale Verjüngung Jeff Bridges um zwei Jahrzehnte für die Figur Clu. Zwar fehlen die Falten des Vorbilds, das Gesicht wirkt jedoch ebenso lebhaft wie das aktuelle von Cher ("Burlesque"). (APA)