Vom Titel gebenden "Power Up" bleibt in den Ausstellungsführungen in der Kunsthalle nur ein konservativ-konventionelles Bekenntnis zu "Weiblichkeit". 

Kunsthalle Wien "POWER UP. Female Pop Art", 2010 © Kunsthalle Wien, Foto: Stephan Wyckoff

Birgit Langenberger, Philosophin, und Gabriele Michalitsch*, Politikwissenschafterin und Ökonomin haben die Ausstellung "Power-up: Female Pop Art" mit einer Gruppe von Studierenden der Gender Studies besucht. Der folgende Text reflektiert die daran anschließenden Diskussionen.

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Gleichstellungsrhetorik einerseits, postfeministischer Backlash andererseits - wie das zusammengeht, zeigt sich selten so deutlich wie an der Vermittlung der noch bis Anfang März in der Kunsthalle Wien/Museumsquartier zu sehenden Ausstellung "Power up: Female Pop Art". Zweifellos leistet die Ausstellung einen wichtigen Beitrag, um weiblichen Pop-Artists ihren wohlverdienten Platz im kunsthistorischen Kanon zukommen zu lassen. Umso bedauernswerter ist es, dass die KunstvermittlerInnen das widerständige Power-up der großartigen Exponate durch ein anti-feministisches "Power-down" konterkarieren. 

Kunst von Frauen als "weibliche" aufs Podest heben, um ihr gleichermaßen vereinnahmend wie verharmlosend ihren Feminismus gehörig auszutreiben, scheint die Devise der VermittlerInnen. Denn sie deuten die präsentierten feministischen Kunst-Positionen zu individuellen Bewältigungsversuchen des Alltags um, zu Selbst-Therapie neurotischer desperate housewives. Ebenso omnipräsente wie radikale Artikulationen feministischer, aber auch anti-rassistischer Gesellschaftskritik, Anti-Kapitalismus und Opposition gegen den (Vietnam-)Krieg werden von den VermittlerInnen im Zuge ihrer Ausstellungsführungen hingegen systematisch ausgeblendet.

Nicht als feministisch-emanzipatorische Positionen, sondern als Spiegel "privaten" Lebens und genuin weiblicher Erfahrungswelt präsentieren sie "female" Pop-Art. Gesellschaftskritische Aspekte werden dabei "privatisiert" und affirmativ re-interpretiert. Obgleich die gezeigten Exponate gerade dieses vermeintlich Persönliche problematisieren und als Politisches sichtbar machen, treten in der Vermittlung entpolitisierte Biographien und individuelle Pathologisierungen an die Stelle gesellschaftlicher Kontexte und widerständiger Praktiken, um einmal mehr traditionelle Geschlechterzuschreibungen unreflektiert zu strapazieren. Das "Private", das bei männlichen Pop-Artists als politisches Sujet und revolutionierender Topos der Kunst gilt, firmiert hier als individuell-therapeutische Abbildung "weiblicher" Selbstbetrachtung in Haushalt und Kinderzimmer.

So deuten die VermittlerInnen, die übrigens stets von dem Künstler und dem Betrachter sprechen, etwa Marisols Kritik an Kirche und (heterosexueller) Ehe in "Wedding" als Bild typisch "weiblicher" Sehnsucht nach Erfüllung im "Privaten". Sie interpretieren etwa den Einsatz von textilen Stoffen lediglich als typisch "weibliche" Aufnahme alltäglichen Umgangs mit Nadel und Faden in die bildende Kunst, während das symbolische Weiter-Weben an einer Frauen weitgehend verdrängenden kunsthistorischen Tradition ausgespart bleibt. Kiki Kogelniks kastrationsdrohende Scheren verkommen dabei zum bloßen Nähutensil, ihren die phallische Ordnung herausfordernden Nadeln wird jede kritisch-stechende Spitze genommen.

Auf den Horizont des Nähkästchens beschränkt, wird radikale künstlerische Kritik an patriarchalen Verhältnissen so zu affirmativer, niedlich-weiblicher Kuschelkunst. Zur bloßen Kopie männlicher Pop-Art degradiert, bleibt sie im traditionellen Repräsentationssystem gefangen - als gäbe es keine Alternative. Dabei wird das Regime des männlichen Blicks explizit durchkreuzt, wenn zum Beispiel Kiki Kogelniks forschender Mann mit Feldstecher zwischen gespreizte Frauenbeine auf den weiblichen Unterleib zielt. 

Vor allem die Verknüpfung von Geschlechterkonstruktionen und Sexualität problematisiert "female pop-art" immer wieder. Durchaus aggressiv stellt sie die Frage nach "weiblichem" sexuellem Begehren. So holt etwa Dorothy Iannone stets die Genitalien unter den Hüllen zivilisierter Kleidung öffentlicher Figuren, Politiker ebenso wie Hollywood-Stars, hervor. Sie spitzt Brüste zu gefährlichen Stacheln und drapiert Männer in typisch "weiblicher" liegender Pose auf dem Sofa - und macht damit erst die alltägliche Sexualisierung von Frauen und das Politische herrschender Ästhetik sichtbar. Ihre Thematisierung von Sexualität ist Selbst-Ermächtigung, widerspricht gängiger pornographischer Inszenierung und transportiert fundamentale Lebens-Lust. 

Gerade jenes Objekt aber, mit dem die Ausstellung beworben wird, illustriert "weiblich"-sexuelle Lust in patriarchaler Manier: "Die Frau" leckt mit geschlossenen Augen genüsslich-hingebungsvoll an einer Eistüte. Dass sich gerade feministische Pop-Art stereotyper Bilder bedient, damit Konventionen der Bildproduktion ironisiert und - oft mit Galgenhumor - vervielfältigt, macht letztlich die scheinbare (gesellschaftlich-mediale) Kopie als UrheberIn des Originals explizit. Das aus dem Zusammenhang gerissene Ausstellungsplakat aber entspricht herrschenden Männerphantasien: "Die Frau" dient sich seinem Blick an, sucht in seinen Augen Gefallen zu finden. Das Bild fügt sich einer phallischen symbolischen Bildwelt, der sich das Begehren von Frauen als bloß vom männlichen Abgeleitetes einschreibt. Dass gerade dieses Bild nun in der Vermittlung als Inbegriff weiblicher Lust präsentiert wird, zeigt die affirmativ-patriarchale Umkehrung an. Zugleich aber steht diese stellvertretend für verinnerlichte Herrschaft in post-feministischen Zeiten, in denen "die emanzipierte Frau" ihren Körper im Kult um vermeintliche Schönheit zwischen Diäten und OP selbst zurichtet - und scheinbar nicht mehr des disziplinierenden Anderen bedarf. 

Dem fügt sich letztlich auch das Vermittlungskonzept. Die Kunsthalle zeigt eine Ausstellung radikaler, revoltierender Pop-Art-Künstlerinnen, entschärft deren gesellschaftskritisch-explosive, vor allem feministische Kraft jedoch zugleich. Vom Titel gebenden "Power Up" bleibt in den Ausstellungsführungen nur ein konservativ-konventionelles Bekenntnis zu "Weiblichkeit". Oder liegt in dieser schlichten Verharmlosung vielleicht eine implizite Aufforderung zur Selbstermächtigung: selbst sehen, selbst denken - und sich von Führungen emanzipieren? (Birgit Langenberger und Gabriele Michalitsch, dieStandard.at, 26.1.2011)