Jeremy Caplan lehrt im neuen Master-Studium "Journalismus & Neue Medien" an der FH Wien.

Foto: Marlene Erhart

Am Freitag hielt er einen Vortrag.

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Nicht nur große, sondern vor allem kleinere Medienorganisationen werden von neuen Distributionsformen für journalistische Inhalte profitieren, prophezeit Jeremy Caplan, New Yorker Journalist (u.a. Time Magazine) und Professor für "Neue Medien" an der City University of New York, im Interview mit etat.at. Caplan war vorige Woche zu Gast in Wien, um an der FH Wien zu lehren und über digitalen Journalismus zu referieren.

etat.at: Kann das iPad eine neue journalistische Form kreieren, die das Potential hat, die neue Cash Cow der Verlagsunternehmen zu werden?

Caplan: Da das iPad in den kommenden Jahren immer dünner, leichter und billiger wird - genau wie es beim iPod, iPhone und beim Macbook war - werden Journalisten neue kreative Wege finden, das Gerät als flexible Leinwand zu nützen, um neue Arten von Geschichten zu erzählen, die Mulitmedia und Text kombinieren.

Aber die Verlagsunternehmen, die von diesen neu entstandenen Formen des Journalismus profitieren, werden nicht nur die großen Medienorganisationen, die es jetzt schon gibt, sein. Startup-Journalismus-Organisationen und kleine, flinke Medienorganisationen werden Erfolg haben, weil sie nicht das Gewicht einer Infrastrukturlast - die größere Medienorganisationen nach wie vor tragen - aushalten müssen.

etat.at: Wer hat Potenzial?

Caplan: Die flinksten Herausgeber werden in den kommenden Jahren ein blühendes Geschäft verzeichnen, weil das Interesse des Konsumenten an Nachrichten und Informationen am Wachsen und nicht am Schrumpfen ist. Die Konsumenten verbringen mehr und mehr Zeit damit, Nachrichten zu lesen, zu teilen und interagieren mit Informationen auf mobilen Geräten. Sie wollen weiterhin mit den Nachrichten, den Informationen und Unterhaltungsmarken, die sie kennen und lieben, verbunden sein.

etat.at: Werden Medien im Internet mit Paid-Content-Modellen Erfolg haben?

Caplan: Abonnement-Systeme wird man weiter ausbauen müssen, damit es einfacher wird, nicht nur eine einzelne Ausgabe einer digitalen Publikation, sondern ein langfristiges Abonnement zu kaufen. Bislang kann das der Kunde nicht. Magazine wie etwa "Wired" und "Popular Science" haben grandiose Ausgaben für das iPad designt, aber der Markt ist noch zu klein. Nur ein winziger Teil der Haushalte hat ein Tablet.

Das wird sich in den nächsten drei Jahren ändern, wenn sich Märkte für iPads, Android Tablets und andere neue mobile Mediengeräte entwickeln werden. Eine der frühen iPad-Ausgaben des "Wired" wurde laut AdWeek 100.000 Mal heruntergeladen, was eine starke Neugier der Konsumenten aufzeigt. Für manche Medienmarken wird diese Art des frühen Interesses schließlich zu profitablen Nischenmärkten anwachsen.

etat.at: Ist es möglich, qualitativen Online-Journalismus nur mit Werbeeinnahmen zu finanzieren?

Caplan: Werbeeinnahmen werden in bestimmten Technik-, Luxus- und Fachbereichen, wo Werbung die Höchstpreise bestimmen und wo das Publikum anders schwer für die Werber zu erreichen ist, hochqualitativen digitalen Journalismus fördern.
Aber generell werden Journalismus-Organisationen zunehmend auf Kombinationen von Einnahmen schauen müssen, als auf eine einzelne dominierende Quelle. Weil Werbeeinnahmen bislang digitale Cents anstatt analoger Dollar einbringen, haben sich Herausgeber an die Generierung der Werbung in der Vor-Tablet-Ära gewöhnt.

etat.at: Welchen Einfluss haben Social Media Tools auf den Arbeitsablauf des "traditionellen" Journalismus?

Caplan: Journalisten, die einen Vorteil aus den Social Media Tools ziehen, können jetzt aus einer größeren Bandbreite an Quellen schöpfen, das macht ihre Informationen sowohl effizienter als auch effektiver. Vielmehr, als sich nur auf eine kleine Menge an lokalen anerkannten "Experten" zu verlassen, können Journalisten nun ein weiteres Netz auswerfen, um neue Stimmen zu finden und um in ihren Berichten unterschiedlichere Perspektiven der uns umgebenden Welt einzubauen.

Journalisten können mithilfe von Social Media Tools - von Facebook und Twitter bis zu LinkedIn und Quora - Fragen stellen und schnell Diskussionen auf der ganzen Welt in großen und kleinen Gruppen scannen und haben dadurch einen so einfachen Zugang wie nie zuvor.

etat.at: Auf welche Quellen sollte jeder Journalist in seiner täglichen Arbeit zurückgreifen?

Caplan: Jeder Journalist sollte Twitter oder eine andere Art der RSS Lese-Applikation (wie etwa Google Reader) verwenden, um sich über das breite Angebot an Quellen, ob große oder kleine, am Laufenden zu halten. Eine Webseite nach der anderen anzusehen ist ineffizient, und die wertvollen Stimmen auf Twitter findet man nur schwer woanders.

Es ist äußerst wichtig, als Journalist Social Media zu verwenden, um sich über die Nachrichten und Informationen zu dem Thema, an dem man gerade arbeitet, auf dem Laufenden zu halten. Es ist wichtig, dass wir als Journalisten nicht schon bereits erzählte Geschichten aufgreifen, sondern Informationen suchen, die für die Öffentlichkeit interessant sind, die aber noch nicht in eine journalistische Form gefasst wurden. (om, derStandard.at, 25.1.2011)