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Blumen für die 35 Todesopfer im Flughafen Domodedowo. Offenbar gab es große Sicherheitslücken.

EPA/SERGEI CHIRIKOV

Moskau/Wien - Einen Tag nach dem verheerenden Terroranschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo ergingen sich die Verantwortlichen am Dienstag in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Der russische Präsident Dmitri Medwedew kritisierte das Management des privaten Flughafenbetreibers East Line. In Domodedowo habe bei den Sicherheitskontrollen Anarchie geherrscht, sagte das Staatsoberhaupt und forderte den Rücktritt der Sicherheitsverantwortlichen.

Das Flughafenmanagement verteidigte sich damit, dass für den frei zugänglichen Bereich des Flughafens - Ankunftshalle und Abflughalle mit den Check-in-Schaltern - die Miliz und somit das Innenministerium zuständig sei. Blogger berichten, dass die Milizionäre bisher jedoch mehr damit beschäftigt waren, von Gastarbeitern aus Ex-Sowjetrepubliken Schmiergeld zu kassieren, als sich um die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen zu kümmern. Die Metalldetektoren an den Eingängen waren nur selten in Betrieb.

Mit dem Geplänkel um die Schuldfrage wollen die russischen Machthaber offenbar vom Versagen der Geheimdienste und ihrer gescheiterten Nordkaukasus-Politik ablenken. "Im Nordkaukasus herrscht eine politische Krise, die islamistische Opposition ist dort sehr aktiv, und die Regierung hat in den letzten 15 Jahren ihre Politik nicht geändert", sagt Kaukasus-Experte Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie Zentrum.

Die russische Führung versucht die Abspaltung und Gründung eines islamischen Emirats im Nordkaukasus mit Waffengewalt und Investitionen zu verhindern. Erst vergangenen Freitag hatte Premierminister Wladimir Putin Investitionen in Höhe von knapp zehn Milliarden Euro in den Nordkaukasus angekündigt. "Wir müssen alles, was Terrorismus und Extremismus nährt, mit der Wurzel ausreißen", sagte Putin. Darunter seien Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Bildungstandards, Korruption und Rechtlosigkeit zu verstehen.

Tatsächlich wird gegen die Wurzeln des Übels wenig getan. Der Großteil der aus Moskau kommenden Mittel versickert in den Taschen korrupter Beamter und des umstrittenen tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, der in der Nähe von Grosny in einem Prachtpalast wohnt.

Gleichzeitig dreht sich die Gewaltspirale immer schneller. 2010 wurden im Nordkaukasus 14 Terroranschläge und damit doppelt so viele wie im vorangegangenen Jahr verübt. In Moskau forderten Terroranschläge in den vergangenen 15 Jahren 1560 Todesopfer. Beim Selbstmordattentat am Montag starben 35 Menschen. Unter ihnen soll sich laut einer Liste des Katastrophenschutzministeriums auch ein Österreicher bulgarischer Abstammung befinden.

Laut dem Kaukasus-Experten Malaschenko führt die Lösung des Konfliktes über den Dialog: "Man muss anerkennen, dass nicht alle irgendwelche Banditen sind, und mit der islamischen Opposition in den Dialog treten." Medwedew und Putin wollen jedoch ihre harte Linie beibehalten und kündigten ein hartes Durchgreifen gegen die Banditen an. (Verena Diethelm, STANDARD-Printausgabe, 26.01.2011)