Bert RebhandlMichael Hofer (Hg.): "Über uns Menschen. Philosophische Selbstvergewisserungen" , transcript Verlag 2010, 146 Seiten, 19,40 Euro

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Dass der Mensch eine ganz besondere unter den Kreaturen sei, das wurde zuletzt wieder zunehmend in Zweifel gezogen. Denn das, worauf wir uns gewöhnlich ein bisschen etwas einbilden (Intelligenz, Freiheit, Reflexion), gilt inzwischen vielfach als Trugschluss, den wir aus dem biochemischen Durcheinander in unseren Gehirn ziehen. Unser Selbstbewusstsein wäre demnach eine Art Spezialeffekt, den die Natur hervorgebracht hat, um uns über uns selbst zu täuschen.

Immer schon hat aber die Philosophie den Anspruch erhoben, es genauer, weil allgemeiner zu wissen. Ein kürzlich erschienener schmaler, gehaltvoller Band stellt die anthropologischen Grundfragen wieder einmal neu: Sechs namhafte Denker beschäftigen sich in Über uns Menschen mit Aspekten des menschlichen Selbstverständnisses. Die Beiträge gehen auf eine Vortragsreihe am Institut für Philosophie und Kunstwissenschaft der Katholisch-Theologischen Privatuniversität in Linz zurück.

So sprach Christian Illies, der in Bamberg praktische Philosophie lehrt, über die Evolution, deren Grundgedanke es mit sich bringt, dass alles, woraus die Menschen eine gewisse Autonomie gegenüber der Welt abzuleiten versucht sind, in entwicklungsgeschichtlicher Perspektive funktional ist - auch die Wahrheitsfrage wird gestellt und beantwortet, weil es evolutionär nützlich ist, mit den Tatsachen kompatibel zu sein. Birgit Recki beschäftigt sich mit dem Begriff der Kultur, während der emeritierte Wiener Philosoph Günther Pöltner die Erfahrungen mit Gesundheit, Krankheit und Tod in den Blick nimmt.

In der zweiten Hälfte legt Gunnar Hindrichs einen Gedankengang über das Absolute vor, in dem der gute, alte ontologische Gottesbeweis eine Rehabilitation erfahren soll - Gott wäre demnach das "Geheimnis" , in dem das "heimatlose" Subjekt einen "Ungrund" finden kann. Vor allem aber sind es Thomas Sören Hoffmann und Andrea Kern, die diesseits theologisierender Begriffsakrobatik höchst spannend den neuzeitlichen Horizont noch einmal öffnen.

Hoffmann beschäftigt sich mit der Freiheit und weist pointiert die neueren Naturalismen zurück: "Das Geheimnis der Natur des Menschen ist vielmehr, dass er keine hat oder dass er selbst der Begriff, die origo aller Bestimmung bzw. das absolute Definiens der Dinge ist." Dahinter steckt natürlich Kant, den Hoffmann danach sehr überzeugend auf einen rechtstheoretischen Punkt bringt.

Und auch in Andrea Kerns Überlegungen zur Ästhetik führt die Beschäftigung mit den schönen (oder nicht mehr so schönen) Dingen, die sich nicht sofort auf einen Begriff bringen lassen, zurück zu Kant, der am gründlichsten die selbstreflexive Spannung durchdacht hat, die uns Menschen von den Dingen an sich trennt. Gerade diese Trennung schafft die Freiräume, die wir in der ästhetischen Erfahrung ausloten und die uns erfahren lassen, "was wir sind: Subjekte, die sich selbst bestimmen." (DER STANDARD, Printausgabe, 26.01.2011)