Sie wolle das Rad nicht neu erfinden, meinte Beatrix Karl bei ihrer Einjahresfeier am Mittwoch. "Aber wir brauchen mehr Schwung, um es anzutreiben", so die Ministerin für Wissenschaft und Forschung in bekannter Politiker-Rhetorik . Humpelte diese noch mit etwas weniger Schwung, dafür aber mit Krücken und Gipsbein, vor genau einem Jahr zu ihrer Angelobung, zeigte sich die Ministerin nach einem Jahr voller Diskussionen und Demos keineswegs angeschlagen. Ganz im Gegenteil: Ihr neues Modell sieht höhere Studiengebühren vor.
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Ein Handschlag und Lächeln für jeden einzelnen Journalisten und ein kleines Späßchen machen den Anfang - Das Wetter sei ähnlich schlecht wie voriges Jahr, scherzt die Sprecherin von Karl. Diese beginnt ihre Rede ein wenig ernster: "Ich habe festgestellt: Politik heißt, das Umsetzbare machen und nicht immer das Gewünschte." Sie brauche auch mehr Geduld, als ihr lieb sei, so die Erkenntnis der Ministerin. Doch zufrieden sei sie immer noch: "Es taugt mir nach wie vor".
500 Euro pro Semester
Schon zu Beginn ihrer Amtszeit kündigte Karl an, vieles, was Hahn initiiert hatte, fortzusetzen. Auch ihre Meinung zu Studiengebühren hat sich bis dato nicht geändert. So basiert ihr am Mittwoch präsentiertes "Drei-Säulen-Modell" zur Hochschulfinanzierung auf Studiengebühren von 500 Euro pro Semester und Person - Dies sei allerdings als "Berechnungsgrundlage" zu sehen, die fixe Höhe der Gebühren würde sie noch mit dem Koalitionspartner verhandeln, betont die Ministerin. Bezieher von Studienbeihilfen sollen weiterhin gebührenbefreit sein. "85 Prozent der Beträge bleiben direkt an den Universitäten", so Karl.
Die restlichen 15 Prozent würden in die Studienförderung, der zweiten Säule ihre Modells, fließen. 218 Millionen Euro stünden bereits für diese Förderung 2011 zur Verfügung stehen. Mit Studienbeiträgen in der Höhe von 500 Euro könne man diese Summe erhöhen, meint Karl und rechnet vor: Nehme man an, 190.000 Studenten würden 500 Euro pro Semester zahlen, bekomme man 190 Millionen Euro pro Jahr, von denen rund 160 Millionen an die Hochschulen und knapp 30 Millionen in die Studienbeihilfe gehen würden. Zusammen mit den 80 Millionen Offensivförderung und den knapp 160 Millionen, die derzeit als Ersatz für die Studiengebühren gezahlt werden, würden 240 Millionen Euro an die Universitäten fließen.
Karl hofft auf SPÖ-Rückendeckung
Gefördert würden Studenten mit niedrigem Einkommen, Wiedereinsteiger, nichtselbständige Erwerbstätige und Familien, in denen mehr als eine Person studiert. Als dritte Säule ihres Modells will Karl zinsbegünstigte Darlehen einführen. Bis zu 350 Euro könnten damit pro Monat während des Studiums bezogen und später zurückgezahlt werden, erklärt die Ministerin.
Rückendeckung für ihr neues Modell erhofft sich Karl von den roten Landeshauptleuten: "Ich freue mich, dass sich mittlerweile auch alle SPÖ-Landeshauptleute für Studienbeiträge, gekoppelt an ein sozial treffsicheres Stipendiensystem, ausgesprochen haben", so die Wissenschaftsministerin. Mit ihrem Modell würde sie diese Forderung nun erfüllen.
Begrenzte Studienplätze
Außerdem spricht sie sich für begrenzte Studienplätze an allen Universitäten aus. Vorbild seien dabei die Fachhochschulen, meint die Ministerin. Die Platzanzahl sowie die Verteilung der Gelder sollen bei der Leistungsvereinbarung mit den Hochschulen geklärt werden.
Als Schwerpunkt des bevorstehenden Jahres betont Karl den österreichischen Hochschulplan. Sie wolle in Zukunft mehr Zusammenarbeit zwischen Unis und Fachhochschulen forcieren, zusätzliche FH-Plätze schaffen sowie für mehr Kostentransparenz an den Hochschulen sorgen. Bei der derzeit offenen Rektorenstelle an der TU Graz hofft die Ministerin auf eine weibliche Besetzung.
Kritik von SPÖ, FPÖ und den Grünen
Die Kritik auf Karls Finanzierungsmodell fällt heftig aus: Die Ministerin würde damit vom "bisherigen bidlungspolitischen Versagen" ablenken, hagelt es von der ÖH. "Die Studierenden können sich darauf verlassen, dass wir sie (Studiengebühren, Anm.) jetzt nicht wieder einführen", betonte SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas in einer Aussendung. Ministerin Karl solle "endlich einmal reformieren statt kassieren", reagiert FP-Wissenschaftssprecher Martin Graf auf den Vorstoß der Ministerin. "Es ist mehr als naiv zu glauben, Studierende könnten mit ihren Beiträgen die Unterdotierung von Lehre und Forschung wettmachen", so der grüne Wissenschaftsprecher Kurt Grünewald. Das BZÖ glaubt nicht an die Realisierung der Studiengebühren in einer Höhe von 500 Euro, obwohl es diese selbst fordert.
Unterstützung für Karl kommt von der ÖVP: Darlehensmodelle seien "international absolut üblich", so VP-Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager. Auch die Wirtschaftskammer unterstützt das Modell der Ministerin und hält es für einen "zukunftsweisenden Weg". Der ÖGB zeigt sich dagegen "verwundert" und erwarte sich mehr, als "auf die Studiengebühren zu beharren", heißt es in den Aussendungen. (Daniela Neubacher, APA, derStandard.at, 26. Jänner 2011)