Wien - Die Grünen sprechen sich kategorisch gegen die Einführung einer Mittleren Reife an den Schulen aus. Österreich sei jetzt schon weltweit an der Spitze, was Hürden im Schulsystem betreffe: "Wir sind mit Deutschland das Land, das am frühesten - nämlich mit 9,5 Jahren - seine Kinder selektiert", so Bildungssprecher Harald Walser bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Und nun führe man ausgerechnet hierzulande eine weitere Hürde bei den 14-Jährigen ein.

Mit der "Mittleren Reife" soll nach den Plänen von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) und Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) eine Art einheitlicher Abschluss für AHS-Unterstufe und künftige Neue Mittelschule geschaffen werden. Berücksichtigt werden sollen etwa die Zeugnisnoten der achten Schulstufe, die Bildungsstandards, verbale Beurteilungen zu den Stärken der Schüler und das Portfolio über die Schwerpunktfächer sowie die Ergebnisse einer Bildungswegberatung.

Mit 14 Jahren sei Österreich nun wieder außer der Slowakei am frühesten dran mit einer Mittleren Reife, kritisierte Walser. "Österreich hat extremen Nachholbedarf, und wir orientieren uns mit der Slowakei an einem Land, das bei PISA gerade noch knapp vor uns war."

Lehrer als "Richter" statt "Coaches"

Auch ganz grundsätzlich hat Walser Probleme mit einer Mittleren Reife: "Es ist nach wie vor niemand in der Lage zu sagen, wofür wir die brauchen." Durch die Einbeziehung von verbalen Lehrer-Beurteilungen würden wieder Kindern aus bildungsfernen Schichten Steine in den Weg gelegt, weil vor allem höhergebildete Eltern bei den Lehrkräften intervenieren würden. Die Pädagogen würden außerdem wieder in die Rolle der Richter über Bildungschancen gedrängt, anstatt zu Coaches zu werden. Die Wirtschaft wiederum würde ein Zertifikat mit 14 Jahren nicht als Bildungsabschluss anerkennen.

Auch vom ÖVP-Grundgedanken eines differenzierten Schulsystems her sei die Mittlere Reife eigentlich sinnlos, meinte Walser: Zuerst trenne man die Kinder mit 9,5 Jahren in 20 Prozent Begabte (AHS-Unterstufe) und die restlichen 80 Prozent (Hauptschule) - "die Begabten kommen in die Eliteschulen und müssen dann nach vier Jahren eine Prüfung machen, um nachzuweisen, dass sie das können, was die anderen 80 Prozent auch können. Damit gibt man ja zu, dass das Gymnasium seine Rolle nicht wahrnimmt."

"Geldverschwendung auf hohem Niveau"

Ein Mittlere Reife hält Walser daher für "teuren pädagogischen Unsinn" und "Geldverschwendung auf hohem Niveau". Außerdem würde dadurch das mittlerweile viergliedrige Schulsystem auf der Sekundarstufe eins (AHS-Unterstufe, Hauptschule, Neue Mittelschule, Sonderschule) einzementiert. Vielleicht sei das anlaufende Bildungsvolksbegehren ja ein Weg, der den Ministerinnen das Umdenken erleichtere.

Walser will die Lehrer lieber aus der Rolle der Richter drängen und die Kinder von externen Fachleuten überprüfen lassen. Noten wiederum seien nur "subjektive Momentaufnahmen", die in der Volksschule ganz und in der Sekundarstufe I weitgehend abgeschafft und durch verbale Beurteilungen und Portfolios ersetzt werden sollten. (APA)