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Ob man sich mit der betrieblichen Zusatzpension wohl Schuhe aus Gold kaufen kann?

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Wolfgang Mazal

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derStandard.at: Wenn es um die betriebliche Altersvorsorge geht, dann werden Pensionskassen (PK) gerne als die "dynamischere, risikoreichere Variante", betriebliche Kollektivversicherungen (BKV) als "Sicherheitsvariante" betitelt. Gerade bei den Pensionskassen hat man aber in letzter Zeit gesehen, dass "dynamisch" nicht viel heißen muss. Was bedeutet das für die Zukunft der betrieblichen Altersvorsorge?

Wolfgang Mazal: Ich glaube, da muss man tatsächlich zwei Phänomene trennen. Das eine ist die Reduktion der Auszahlungen an Menschen, die momentan in Pension sind und die nur sehr kurz in einer Veranlagungsphase waren. Man hat seinerzeit bei der Übertragung von direkten Anwartschaften in die Pensionskassenzusage zum einen die Rechnungszinssätze zu hoch angesetzt, zum anderen haben viele Unternehmen die Schwankungsreserven zu niedrig dotiert. Man konnte auf diese Weise für die ersten Jahre Potenzial für sehr schöne Erträge darstellen, hat aber genau dieses Risiko einer Pensionskassenveranlagung, nämlich die Schwankungen, damit "unter den Tisch fallen lassen". Und genau das ist jetzt schlagend geworden. Von dieser Situation muss man jene Menschen trennen, die derzeit Anwartschaften aufbauen und irgendwann in Pension gehen werden. Die Pläne sind hier so kalkuliert, dass gute Schwankungsrückstellungen gebildet werden. Während der Pensionierung realisieren sich Ausschläge des Kapitalmarkts dann nicht mehr in der Form, wie wir es in den letzten Monaten gesehen haben. Hier wurden bei der Übertragung Fehler gemacht. Beim Neuaufbau von Pensionen im Pensionskassensystem kann man diese aber vermeiden.

derStandard.at: Der Rechnungszins steht ja immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion. Spielt dieser bei der Betrieblichen Kollektivversicherung (BKV) auch eine Rolle?

Mazal: Er spielt auch hier eine Rolle. Aber die Veranlagungsvorschriften für Versicherungen sind schon seit Jahrzehnten viel konservativer als bei den Pensionskassen. Risikoärmere Varianten haben eben auch geringere Ertragschancen. Die Veranlagung mit höherem Risiko kann nur dann in Kauf genommen werden, wenn die Laufzeiten lang genug und Schwankungen durch Reserven gut ausgeglichen sind.

derStandard.at: Aber sollten nicht gerade bei den Pensionen die höheren Ertragschancen gegenüber der Sicherheit den Kürzeren ziehen?

Mazal: Wir müssen davon ausgehen, dass in Österreich die Absicherung des Lebensstandards eigentlich durch das gesetzliche System gewährleistet werden soll. Pensionszusagen auf Basis von betrieblicher oder individueller Einzahlung sollten also immer nur ein über das lebensnotwendige deutlich hinaus gehendes Niveau abdecken. Was die Risikoneigung betrifft, ist im Laufe des Lebenszyklus zu unterscheiden: In diesem Bereich ist es in der Veranlagungsphase durchaus vertretbar, auch größere Risiken in Kauf zu nehmen. In der Veranlagungsphase muss man aber gleichzeitig auch jene Reserven aufbauen, die in der Leistungsphase ein abruptes Abfallen des Niveaus verhindern. Genau dieses Thema wurde bei den Pensionszusagen der heutigen Firmen-Pensionisten vernachlässigt. Deswegen ist auch die heutige Situation nicht typisch für alle Zukunft.

derStandard.at: Was sind nun die grundlegenden Unterschiede zwischen BKV und Pensionskassen?

Mazal: Alle betrieblichen Vorsorgesysteme sind sich mittlerweile sehr ähnlich. Aus Sicht des Arbeitnehmers sind die steuerlichen Begünstigungen, die arbeitsrechtlichen Sicherheiten stark angeglichen, und durch das Betriebspensionsgesetz geschützt. Gemeinsam haben die zwei Varianten, dass Geld vom Arbeitgeber, vielleicht auch noch zusätzlich vom Arbeitnehmer bezahlt wird, und aus dem eingezahlten Betrag am Schluss ein Kapital gebildet wird, aus dem ausgezahlt wird. Letztlich geht es um Konditionen und auch um Einschätzungen der Sicherheit in Hinblick auf die Auszahlungen in der Zukunft.

derStandard.at: Muss ich mich als Unternehmen mit meinen Mitarbeitern absprechen, welche Form gewählt wird?

Mazal: Im Regelfall wird ein kollektiver Ansatz gewählt. Mit einer Betriebsvereinbarung muss sichergestellt werden, dass nur sachliche Differenzierungen zwischen den Mitarbeitern erfolgen und dass die ausgewählten Personen einen gleichen Zugang zum gewählten System haben.

derStandard.at: Als Mitarbeiter kann ich es mir also nicht aussuchen, ob ich lieber eine Pensionskasse oder eine BKV hätte?

Mazal: Wenn die Betriebsvereinbarung ein derartiges Wahlrecht eröffnen würde, dann schon. In der Praxis kommt das aber im Regelfall nicht vor.

derStandard.at: Kann ein Unternehmen von einer PK zu einer BKV wechseln oder umgekehrt?

Mazal: Nur im Konsens aller Beteiligten. Einseitiges Vorgehen ist derzeit nicht vorgesehen. Die Finanzinstitute kalkulieren solche Projekte langfristig. Sie haben am Anfang hohe administrative Kosten und damit Anlaufverluste, und die müssen sie im Laufe der Veranlagung durch Zinserträge usw. wieder reinspielen. Da kann man als Unternehmen dann nicht sagen: Heuer sind die Erträge schlecht, jetzt wechseln wir das Institut oder das Modell. Es ist auch für die Mitarbeiter schlecht, weil die langfristige Perspektive auch eine Chance auf höhere Erträge ergibt.

derStandard.at: Wenn wir von einer langfristigen Perspektive sprechen, an welchen Zeitrahmen denken Sie?

Mazal: Wenn man ein Risikomodell mit höherem Aktienanteil hat, dann sprechen wir von dreißig, vierzig Jahren. Also ein ganzes Erwerbsleben lang.

derStandard.at: Wie sieht es mit der angedachten Umleitung von Abfertigung neu in die Betriebliche Kollektivversicherung oder eben Pensionskassen aus?

Mazal: Ursprünglich war Abfertigung neu ja nicht als eigenständiges System konzipiert, sondern als zusätzliche Finanzierung im Pensionskassensystem. Das wurde auf ausdrücklichen Wunsch der Sozialpartner aber anders gemacht. Funktional steht dem allerdings immer noch nichts im Wege, es ist politisch seitens der Sozialpartner aber offensichtlich nicht erwünscht.

derStandard.at: Obwohl es eine Vereinfachung des Systems Betriebspensionen bringen würde?

Mazal: Keine Frage. Jede Systemvereinfachung in welche Richtung auch immer ist aus meiner Sicht zu befürworten, weil es für den Bürger einfach intransparent ist. Und das tut keinem System gut. Momentan sehe ich aber keine Diskussion in diese Richtung.

derStandard.at: Wie tragfähig ist die zweite Säule der Altersvorsorge derzeit?

Mazal: Im internationalen Vergleich sind die zweite und die dritte Säule in Österreich noch etwas dünner als in anderen Ländern. Das ist aber auch systemimmanent notwendig: Weil wir eine sehr stark ausgebaute erste Säule haben, kann die zweite nicht so stark sein wie etwa in der Schweiz, wo die staatliche Pension nur in etwa das Niveau unserer Ausgleichszulage ansteuert. Funktional wird allerdings die erste Säule bei uns in den nächsten Jahrzehnten aus demografischen Gründen etwas schwächer. Deswegen halte ich es für gut, wenn man auch die zweite Säule in den nächsten Jahren sukzessive ausbaut. Ich fordere und unterstütze das schon seit vielen Jahren. Aber gerade durch Abfertigung neu ist das ein bisschen intransparenter geworden. Man könnte und sollte kontinuierlich an der zweiten Säule weiterarbeiten, und sie als Ergänzung der in Österreich glücklicherweise starken ersten Säule auch verstehen.

derStandard.at: Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Mazal: Ich glaube, dass es vor allem wichtig wäre, dass mehr Menschen in den Genuss einer - und sei es einer noch so geringen - Zusatzversorgung kommen. Heute ist das System eher nur auf Begüterte ausgerichtet. Aus Gerechtigkeitsgründen sollte man auch Menschen aus niedrigeren Einkommensschichten den Zugang zur Zusatzabsicherung eröffnen, indem man Arbeitgeber zur Zahlung entsprechender Beiträge in die private Vorsorge verpflichtet. (Daniela Rom, derStandard.at, 27.1.2011)