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Shoppen, ohne sich allzugroße Sorgen um das Geldbörserl machen zu müssen - den Konsumenten gefällt diese Art von Lebensstil offenbar recht gut.

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Solche Bilder bringt man jetzt nicht unbedingt mit unseren weißen T-Shirts in Zusammenhang. Aber es ging hier in Dhaka im Juni des Vorjahres auch um Forderungen der Textilarbeiterinnen nach höheren Löhnen.

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Baumwolle vor der Weiterverarbeitung. 40 Cent für 400 Gramm Baumwolle, 95 Cent für die Stoffproduktion und das Nähen eines T-Shirts. Für das produzierende Textilunternehmen in Bangladesch blieb bislang genug übrig, um neue Nähmaschinen zu bezahlen und den Toyota des Managers samt Fahrer zu bezahlen.

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Das "Welthemd" ist ein unscheinbares Kleidungsstück: Es ist weiß, hat einen kleinen Rundkragen und liegt ziemlich sicher bei ziemlich vielen Menschen im Kleiderkasten: das Standard-T-Shirt von der schwedischen Textilkette H&M. Das gute Stück ist außerdem ein Kosmopolit. Die Baumwolle dafür wird in den Vereinigten Staaten angebaut, genäht wird es in Bangladesch und am Ende liegt es in Hamburg ebenso in den Regalen wie in Wien und Stockholm. Der Preis in Deutschland und Österreich: 4,95 Euro. Ziemlich billig also. Aber nicht nur das. H&M heftet sich auch auf die Fahnen, dass es dem Konzern nicht wurscht ist, unter welchen Bedingungen "das Fähnchen" hergestellt wird. Über 80 Seiten umfasst der Nachhaltigkeitsbericht, und auf der Homepage gibt es vielversprechende Häppchen dessen, worauf man Wert legt: Gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung - wir sind die Guten, lautet die Botschaft.

Zeit-Autor Wolfgang Uchatius hat sich in einer Reportage auf die Suche nach dem Geheimnis des billigen Kleidungsstückes begeben. Die Fragen, die Uchatius sich stellte: H&M tritt gegen Ausbeutung ein. Und doch verkauft der Konzern Kleidung um ein paar Euro. Wie kann das sein?

Reise um die halbe Welt

Uchatius trat eine Reise an, die ihn um den halben Erdball führte. Geleitet von den Basisinformationen, die ihm nach langem Suchen ein Unternehmensberater steckte, der sich auf Textilindustrie spezialisiert hatte. Bei H&M selbst wurde Uchatius nach eigenen Angaben wohlwollend empfangen. Was man ihm erzählte, ließ am Ende trotz der irgendwie freizügigen Informationspolitik der Schweden den konkreten Weg des Leiberls merkwürdig im Dunklen, so Uchatius im Gespräch mit derStandard.at: "Der Konzern ist einerseits sehr offen. Ich habe etwa die Deutschland-Zentrale besucht. Die ist hier in Hamburg von unserem Redaktionsgebäude aus gleich um die Ecke. Ich hatte auch einen Termin beim Firmensitz in Stockholm. Da konnte ich mich dann mit der Chefdesignerin unterhalten. Die Devise 'Wir reden nicht', so wie bei manchen Diskontern, das gibt es dort nicht." Wie gesagt: H&M veröffentlicht ja auch sehr viele Informationen zum Thema Nachhaltigkeit, Kinderarbeit, Umweltzerstörung sowohl auf der Homepage, als auch im Nachhaltigkeitsbericht und verpflichtet sich zu gewissen Standards. "Wenn man dann aber konkrete Informationen haben möchte, wo produziert wird zum Beispiel, dann heißt es, dazu gebe es aus Wettbewerbsgründen keine Stellungnahme." Allerdings stellte sich dann laut Uchatius heraus, dass die Wettbewerber innerhalb der Branche kaum Geheimnisse haben: "Die wissen voneinander meist genau, wo produziert wird und nutzen mitunter sogar dieselbe Fabrik. Das ist also durchaus Taktik."

Der amerikanische Steuerzahler zahlt mit

Wer nun meint, die Reporter-Reise auf den Spuren eines Billig-T-Shirts führe von Billigproduktions-Land zu Billigproduktions-Land, der irrt. Denn Uchatius ist - wie er im derStandard.at-Gespräch erläutert - bei seinen Recherchen auf die erstaunliche Tatsache gestoßen, dass der amerikanische Staatsbürger einen Beitrag zu unser aller H&M-T-Shirt leistet: "Ich hatte eigentlich erwartet, dass schon die Baumwolle aus einem so genannten Billigland kommt. Aber nein: Die Baumwolle kommt aus dem reichsten Land der Welt. Die Amerikaner sind ja der größte Baumwollexporteur der Welt. Aber nicht, weil sie besonders gute Maschinen haben oder besonders fleißig sind, sondern weil der amerikanische Staat ihnen Subventionen zahlt. Eines der Geheimnisse des billigen T-Shirts ist also die Tatsache, dass der amerikanische Steuerzahler dieses T-Shirt subventioniert." 40 Cent fielen in den vergangenen Jahren für die 400 Gramm an, die für ein H&M-Hemdchen nötig sind, mittlerweile ist der Preis deutlich gestiegen.

Von Nordtexas nach Hamburg

Die weiteren Stationen der Produktionskette nach dem Baumwollfeld in Nordtexas führten den Autor zur Textilfabrik in Bangladesch über den Containerhafen in Malaysia bis zur H&M-Filiale in Hamburg. Wobei der stylische Laden in Hamburg naturgemäß wenig mit den Produktionsstätten in Bangladesch gemein hat. Die Vorgaben für die Näherinen in ihrer eher unwirtlichen Wirkungs-Stätte (Schimmel an den Wänden, 250 T-Shirt pro Stunde) sind streng. H&M hat keine eigenen Fabriken, sondern bestellt, wo es am günstigsten ist. 2002, so der Autor, war er bereits einmal in Sachen Textil-Industrie in der Gegend. Verbessert habe sich seit damals nicht viel. Was die Konsumenten in den für ihren sozialen Standard bekannten Ländern von Schweden über Deutschland bis Österreich mitbekommen: Bei H&M verpflichtet man sich zur Zahlung des im jeweiligen Produktionslands geltenden Mindestlohns.

Einen Euro pro Tag

Ob das gut ist? Irgendwie schon, denn der Lebensstandard der Beschäftigten wird sich vermutlich langfristig tatsächlich steigern. Oft erlaube der Lohn von 1,18 Euro pro Tag inklusive aller Überstunden schon jetzt Verbesserungen der Lage mancher Textilarbeiter, und sei es nur jene, dass die Möglichkeit zum Geldverdienen bestehe, so Uchatius. Insgesamt sieht die Lage aber - und das weiß inzwischen auch schon der kritische Konsument - für die meisten eher trist aus: "In Bangladesch zum Beispiel liegt dieser Mindestlohn so niedrig, dass man davon kaum leben kann." Ein Argument von H&M sei nun, dass man den Fabrikbetreibern nicht vorschreiben könne, ihren Arbeitern einen höheren Lohn zu bezahlen. Denn da diese Fabriken stets für mehrere Auftraggeber gleichzeitig arbeiten, würde dies bedeuten, dass die Näherin, die für H&M produziert, mehr Geld bekäme als die Arbeiterin an der Nähmaschine daneben, die vielleicht gerade für C&A arbeitet. Uchatius: "In der Tat ist dies schwer vorstellbar. Es gäbe aber einen ganz einfachen Ausweg: H&M müsste nur eigene Fabriken aufbauen, die dem Unternehmen selbst gehören. Dann könnte das Unternehmen problemlos höhere Löhne bezahlen. Wenn es die Sache wirklich ehrlich meint." 1,35 Euro soll so ein T-Shirt aus Bangladesh seine Abnehmer kosten.

Der Skaleneffekt und wieso der Konsument mitspielt

Zwischen Anbau- und Produktionsstätten liegt noch der Transport. Sechs Cent sollen pro T-Shirt, das im Container per Schiff von Bangladesch nach Deutschland reist, anfallen. Und die Transporteure machen in der Regel auch ihren Gewinn. Wenn das T-Shirt in Deutschland angekommen ist, wird H&M für Rohstoff, Herstellung und Transport insgesamt etwas mehr als 1,40 Euro bezahlt haben. Für die Schweden bleibt am Ende des Tages ein Sümmchen von 50 Cent (vom Konzern nicht bestätigt) je T-Shirt: Warum? Auch weil es so viele davon gibt. Sprich, weil die weißen T-Shirts weggehen wie die warmen Semmerln, bei den Konsumenten also auf reichlich Gegenliebe stoßen. "Skaleneffekte" nennen die Wirtschafter so etwas. Nichts Neues und dennoch bemerkenswert, dass eine Firma bei einem Preis von unter fünf Euro für ein T-Shirt noch einen Gewinn einstreifen kann, sagt auch der Volkswirtschafter Uchatius: "Einerseits ist H&M ja an der Börse notiert und kein karitatives Unternehmen. So gesehen ist natürlich klar, dass die auch Gewinn machen wollen. Andererseits: Wenn man nachvollzieht, dass die Baumwolle in den Vereinigten Staaten angebaut und geerntet wird, der Rohstoff dann zu Garn verarbeitet werden muss, um die halbe Welt reist, um dann zum Beispiel in Fabriken in Bangladesch zu einem T-Shirt verarbeitet zu werden, das dann noch einmal um die halbe Welt reist ... Ja, in dieser Hinsicht war ich sehr überrascht, dass der Konzern pro T-Shirt noch etwa 50 Cent verdient."

Politische Entscheidung

Der Preis ist keineswegs in Stein gemeißelt. Steigende Rohstoffpreise und auch Arbeitskosten nagen an den Margen. Am Ende wird er in absehbarer Zeit vermutlich trotzdem unverändert bleiben, weil die 4,95 Euro für den Konsumenten gewissermaßen eine magische Grenze sind. Außer er greift zum T-Shirt aus tatsächlich nachhaltiger Produktion, so Uchatius. "Wenn man sich den Preis für so ein Produkt ansieht, dann ist der natürlich mit 20 bis 30 Euro pro Stück um ein Vielfaches höher. Andrerseits: Bei einem Blick in den eigenen Kleiderschrank wird vermutlich fast jeder feststellen, dass er mit weniger Stücken auch auskommen würde." Welchen persönlichen Schluss er aus der Geschichte gezogen hat, formuliert der Autor so: "Wohl den, dass man politische Entscheidungen heutzutage nicht mehr nur in der Wahlkabine trifft, sondern jedes Mal, wenn man den Geldbeutel zieht. Mit jedem Einkauf kann man entweder Ausbeutung unterstützen oder gerechte Löhne finanzieren. Und das ist eigentlich eine gute Sache. Aber damit beginnt auch die Arbeit. Denn das setzt voraus, dass man informiert ist." (Regina Bruckner, derStandard.at, 27.1.2011)