"Denken Sie immer mit!", lautet der Befehl an die jungen Leute, die vor knapp drei Wochen zu den Aufklärern nach Mistelbach eingerückt sind. Viele denken schon daran, Berufssoldat zu werden.

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Mistelbach - Wie fühlt man sich wohl, wenn man gerade zum Bundesheer eingerückt ist und man aus der politischen Diskussion weiß, dass der Einrückungstermin Jänner 2011 vielleicht einer der letzten ist, der noch verpflichtend ist? Die jungen Männer, die gerade ihre Wachausbildung machen, lächeln schüchtern, drucksen herum. "Würdet ihr auch zum Militär gehen, wenn es keine Wehrpflicht gäbe?"

"Ja, wahrscheinlich schon", sagt ein Bursch aus Laa an der Thaya. Unter einer Mütze lächelt ein Mädchengesicht hervor: Die junge Frau ist eine Freiwillige unter Wehrpflichtigen, sie hat sich nach Absolvierung der Fachschule zum Heer gemeldet. Gleichzeitig mit den anderen ist sie am 10. Jänner zum Dienst in der Bolfras-Kaserne eingerückt - "und es ist genauso, wie ich es erwartet habe".

Dem stimmen ihre Kameraden zu: Hier im Weinviertel geht "man" zum Bundesheer, viele Freunde waren ja auch da. Das "Aufklärungs- und Artilleriebataillon 3" hat einen guten Ruf, vom guten Essen schwärmen alle, nur dass die Unterkünfte in den älteren Gebäudeteilen manchmal recht kühl werden, stört. Aber die Ausbildung wäre schon recht, "man lernt jeden Tag etwas Neues, fad ist uns nie".

Für den Wachdienst zum Beispiel. "Denken Sie immer mit! Ist das plausibel, was der Kontrollierte sagt? Wie können Sie herausfinden, ob der die Wahrheit sagt?", rät der Oberwachtmeister, der die Ausbildung leitet. Rekruten zu selbstständig denkenden und verantwortlich agierenden Soldaten zu erziehen - das war schon immer das Ziel bei den Aufklärern.

Der Kommandant, Oberstleutnant Hans-Peter Hohlweg, sieht seinen Soldaten mit unverhohlenem Stolz zu. Wie würde es ihm gehen, wenn er keine Wehrpflichtigen mehr bekäme?

"Ich vermeide den Ausdruck Wehrpflichtige", sagt der Offizier. Längst gibt es ja die freie Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst. Entscheidend sei vor allem, dass man genügend länger verpflichtete Soldaten bekommt, die die professionellen Aufgaben wahrnehmen - damit wie eben jetzt ein kompletter Zug geschlossen in den Kosovo verlegt werden kann.

"Da haben wir im österreichischen System ohnehin einen Nachteil: Die Schulpflicht endet mit 15, anwerben darf man aber erst 18-Jährige. Wenn die zu uns kommen, dann haben sie ja meist eine fertige Berufsausbildung. Und die, die das nicht haben, das sind oft Gestrandete. Einen jeden wollen wir auch nicht nehmen", sagt Hohlweg.

Momentan sei das noch machbar, weil eben mit einem Einrückungstermin 160 junge Leute kommen, die man genau anschauen kann und aus denen man gezielt die Berufskomponente des Bataillons anwerben kann.

Die Mistelbacher gelten österreichweit - auch wegen der zivilen Arbeitsplatzsituation des Weinviertels - als besonders erfolgreich in der Heranziehung von Kadersoldaten: Sieben bis acht Prozent der Grundwehrdiener verpflichten sich weiter, 43 Personen sind derzeit im Ausbildungsdienst, letztes Jahr sind zehn zu Unteroffizieren befördert worden.

Nach einem möglichen Ende der Wehrpflicht werde die Rekrutierung schwieriger, malt sich Hohlweg aus: "Am Wirtshaustisch zu werben: ,Ich hätte einen Beruf anzubieten, aber nur für zehn Jahre' - das wird schwierig. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, aber man wird eine andere Werbestrategie brauchen."

Und wenn die Politik ein anderes Wehrmodell einführen wolle, dann müsste sie auch Rahmenbedingungen schaffen, die den Soldaten nach einer wenige Jahre dauernden Aktivzeit eine attraktive berufliche Umstiegsmöglichkeit verschafft. Das aber wird seit 30 Jahren versprochen, wirklich gelungen ist das bisher nicht.

Aber mit ungenügenden Vorgaben auszukommen und ständig umzuplanen, das ist man in Mistelbach gewohnt. So wird von den zwei erst kürzlich aufgestellten Artilleriekompanien eine stillgelegt, 104 Panzer stehen nur noch in den Garagen. Und verstellen den Platz für die neuen Lkws, die im Freien vor sich hin rosten. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2011)