Wiener Neustadt - Es mag eine Ironie der Geschichte sein: Auf den Tag genau elf Jahre nach dem Einstieg der Telekom Austria (TA) bei der Buchhandelskette Libro drehte sich der Strafprozess um diesen Deal. Der Einkauf in die "Tainment-Company" am Höhepunkt des Internet-Hypes brachte TA und Libro nur kurz Vergnügen. Denn die TA war um 1,1 Mrd. Schilling (86 Mio. Euro) leichter und Libro stand mit großen E-Commerce-Versprechen da, aber ohne Partner zur Umsetzung.

Denn im März 2000, kaum fünf Monate nach Besiegelung der Partnerschaft, beschloss die - ihrerseits vor dem Börsengang stehende - Staatstelekom, auf Libro und deren Internet-Tochter Lion.cc zu pfeifen und den Markt allein aufzumischen.

Glaubt man den Schilderungen der wegen schweren Betrugs, Untreue und Bilanzfälschung angeklagten Ex-Chefs André Rettberg und Johann Knöbl sowie deren Aufsichtsratspräsident, UIAG-Chef Kurt Stiassny, trug die TA maßgeblich zum Libro-Absturz bei. Lion.cc sei von Investmentbankern in London "nur mehr mit 1,4 Milliarden Schilling bewertet worden statt mit einer Milliarde Euro" , rechnete Rettberg vor. Weil sich die TA plötzlich nur mehr mit 6,7 Prozent an Lion beteiligen wollte statt mit 51. An den zwecks Geldbeschaffung für Libro geplanten Lion-Börsengang sei nicht mehr zu denken gewesen.

Wasser auf die Mühlen von Staatsanwalt Johann Fuchs. Er sieht die (als Privatklägerin am Libro-Prozess beteiligte) Telekom ja durch Libro getäuscht. Der Papierhändler sei nach Ausschüttung von 31 Mio. Euro Sonderdividende buchmäßig überschuldet, in der Liquidität geschwächt gewesen und überhaupt seien im Börsenprospekt "nicht gegebene Gewinnaussichten" dargestellt worden. Die Angeklagten bestreiten dies, TA sei informiert gewesen, habe Libro mit ihrer Internet-Marke Jet2web ab März 2000 konkurrenziert und als Großaktionär blockiert, sagte Knöbl, der eine Klage auf Vertragstreue als "aussichtslos" beschrieb: "Von der TA hörte man: Klagt's halt. Wenn die Klage durch is, seids Ihr schon tot."

Stichwort Börsenprospekt vom November 1999: Dessen Zahlenwerk war Basis für Partnerschaft und Kauf von 25 Prozent plus einer Aktien von Libro (zum Emissionskurs), die dem damaligen TA-General Werner Kasztler und Technikvorstand Rudi Fischer - ohne vertiefte Unternehmensprüfung - 1,1 Mrd. Schilling wert waren. Geld, das freilich nicht Libro zufloss, sondern Altaktionären wie UIAG, Rettberg, Knöbl. Ein gutes Geschäft: Rettberg hatte 1996 von Billa-Gründer Karl Wlaschek auf Pump Libro-Aktien um 7,99 Mio. Euro gekauft und davon nun 33 Prozent um 13,7 Mio. an die TA verkauft. "Ein Schnitt von 384 Prozent" , rechnete Richterin Birgit Borns vor. Knöbl erlöste mit 29 Mio. Euro Einsatz 47 Mio. (ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.01.2011)