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"Verbotene Devisenausfuhr": Ben Ali und Ehefrau Leila.
Die tunesische Übergangsregierung unter Mohammed Ghannouchi hat den ehemaligen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali und dessen Frau Leila Trabelsi international zur Fahndung ausgeschrieben. Das gab am Mittwoch zu Mittag Justizminister Lazhar Karoui Chebbi bekannt, der einen internationalen Haftbefehl bei Interpol erwirkt hat. Dem am 14. Jänner nach Saudi-Arabien geflüchteten Paar wird "illegale Aneignung von Gütern und verbotenen Ausfuhr von Devisen" vorgeworfen.
Der Familienclan um Ben Ali und Trabelsi hatte sich in den Jahren der Macht alle wichtigen Unternehmen des Landes angeeignet. Mindestens 33 Mitglieder beider Familien wurden seit dem Sturz Ben Alis in Tunesien verhaftet. Sie werden sich vor Gericht verantworten müssen.
Trotz der Nachricht vom Haftbefehl gegen den Ex-Diktator, der Tunesien 23 Jahre lang regierte, gingen die Proteste gegen die Übergangsregierung in mehreren Städten des Landes weiter. In der zweitgrößten tunesischen Stadt, Sfax, organisierte die Gewerkschaft UGTT einen Generalstreik, während in der Hauptstadt Tunis rund tausend Menschen den Sitz von Premierminister Ghannouchi seit drei Tagen rund um die Uhr belagern.
Die Protestierenden verlangen eine "saubere Übergangsregierung" ohne Politiker aus der alten Regierungspartei RCD. Neben Premier Ghannouchi, der bereits elf Jahre unter Ben Ali als Regierungschef gedient hatte, betrifft dies auch Schlüsselressorts wie das Verteidigung- das Innen-, das Justiz- und das Außenministerium. Ghannouchi hatte für Mittwoch eine Umbildung der Regierung angekündigt.
Die Stimmung auf dem Platz der Kasbah vor dem Regierungssitz war mehr als angespannt. "Es geht das Gerücht um, dass die Polizei versuchen wird, die Versammlung in den kommenden Stunden aufzulösen", erklärt eine junge Demonstrantin am Telefon. Morgens hatte die Polizei Tränengas eingesetzt, als die Demonstranten versuchten, eine Stacheldrahtsperre zu überwinden. 20 Teilnehmer befinden sich im Hungerstreik.
Am Montagnachmittag hatte Armeechef Rachid Ammar vergebens versucht, die Demonstranten zum Verlassen des Platzes zu bewegen. "Eure Forderungen sind legitim. Aber ich hätte gerne, dass dieser Platz sich leert, damit die Regierung arbeitet - diese Regierung oder eine andere", erklärte er in einer improvisierten Ansprache, in der er die Armee als "Garantin der Revolution" bezeichnete. Ammar ist äußerst beliebt. Er soll sich geweigert haben, den Befehl Ben Alis, auf die Demonstranten zu schießen, auszuführen. (Reiner Wandler/DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2011)