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Für Medien sind die digitalen Zeiten mit ihren Gratisangeboten vom Lexikon bis zu Videos eine harte Herausforderung. Aber mit neuen Medien lässt sich offenbar auch Geld machen: Das zeigt der Börsengang von Demand Media, eine der ersten Dotcoms, die sich nach der Krise an die Börse traut.

Auf Anhieb erreichte das wenige Jahre junge Demand Media (Börsenkürzel DMD) von Richard Rosenblatt 1,5 Milliarden Dollar Bewertung - etwa der Wert der New York Times.

LeserInnen bestimmen

Demand Media ist jedoch das Gegenteil von Qualitätsjournalismus. Seine Innovation: Nicht Redakteure wählen aus, was wichtig ist und was Leserinnen und Leser interessieren könnte, sondern User selbst bestimmen durch ihr Surfverhalten den Inhalt.

Ein Algorithmus kombiniert Daten aus drei Quellen: Erstens, wonach Menschen im Netz gerade besonders häufig suchen - Information von Suchmaschinen, Internet-Providern, eigene Logs und Marketingfirmen. Dies wird damit kombiniert, wie viel potenzielle Anzeigenkunden für welche Suchbegriffe bezahlen würden, und einem Check, wie häufig diese Themen bereits auf Webseiten zu finden sind (weil es sich dann nicht lohnt, eigenes zu produzieren).

Daraus entstehen täglich zigtausende Geschichten - Aufträge nach dem Muster "Wie wird man Millionär?", die Demand Media einer Heerschar freier Fließband-Mitarbeiter online anbietet - 15 Dollar für Texte, 20 Dollar für Video. Andere redigieren Storys um 2,50 Dollar pro Stück, checken um einen Dollar, ob alle Fakten stimmen, oder bewerten Videoqualität um 50 Cent. Rund 5000 Mitarbeiter beteiligten sich an dem Pool und produzieren bald eine Million Geschichten im Monat. Diese landen entweder auf einer Subsite von Demand (zu Themen wie Gesundheit, Golf, Do it yourself, Humor oder Outdoor-Sport) oder auf Youtube, dessen größter Contentlieferant DMD seit langem ist.

"Journalismus von der Resterampe"

Auf welcher Subseite die Geschichten erscheinen, ist eigentlich egal - denn diese sind nicht als eigenständiges Medium gedacht, sondern nur das Vehikel, damit die jeweilige Story bei einer Google-Suche an oberster Stelle aufscheint. "Wo kann man in Dallas ein Auto spenden?", war die bisher erfolgreichste Geschichte, erklärte Demands Technikchef Byron Reese dem Magazin Wired. Auch Demand hatte anfangs Redakteure, die Geschichten bestellten - aber der Algorithmus war nach Klicks gemessen fünfmal besser.

Solcher "Journalismus von der Resterampe", wie es die Frankfurter Allgemeine nannte, scheint zwar keine inhaltliche Konkurrenz zum Angebot von Qualitätsblättern zu sein. Aber letztlich konkurriert Demand erfolgreich um dieselbe Währung: Aufmerksamkeit, die als Werbegeld eingecasht wird.

Einige US-Medien haben begonnen, Demand-Content auf ihre Seiten zu integrieren, andere überlegen ähnliche Modelle als Ergänzung. Man kann dem auch eine positive Note abgewinnen: Viele, die derzeit gratis in Blogs oder Wikis unbezahlt Beiträge aus Freude an der Sache liefern, können jetzt damit etwas verdienen. Wie auch Journalisten, die unbezahlter Content und Demand Media um ihren Job bringt. (Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe, 27.1.2011)

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