Die ÖH-Chefin hält Bildung zu Recht für ein Menschenrecht. Aber deshalb muss studieren nicht gratis sein.

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Dass die Österreichische Hochschülerschaft den jüngsten Vorstoß von Wissenschaftsministerin Beatrix Karl für Studiengebühren ablehnt, ist nicht überraschend und kaum kommentierenswert. Die Begründung, die ÖH-Chefin Sigrid Maurer am Mittwochabend im ORF-Radiokulturhaus dafür aber lieferte, verdient sehr wohl eine nähere Betrachtung. 

"Bildung ist ein Grundrecht, ein Menschenrecht. Es muss für alle Menschen möglich sein, zu studieren zu beginnen und es auch zu beenden“, sagte sie und zog den Vergleich mit Krankenkassen und Pensionskassen, bei denen die Gesellschaft ebenfalls einzahlt.

Dass der angeführte Vergleich ihr Argument eigentlich widerlegt, weil die Kosten von Kranken- und Pensionsversicherung sehr wohl vom Einzelnen durch seine Sozialversicherungsbeiträge getragen werden,  ist der ÖH-Chefin offenbar  entgangen – vielleicht auch, weil sie selbst noch nie einen Gehaltszettel mit diesen Abzügen erhalten hat.

Interessanter ist die Aussage, Bildung sei ein Grundrecht und müsse daher gratis sein. Keine Frage, dass das Recht auf Bildung zu den Menschenrechten gehört.  Aber Bildung ist auch mehr, nämlich ein Investitionsgut – es erhöht die wirtschaftliche Leistung und das Lebenseinkommen des Nutznießers – und auch ein Konsumgut. Ein interessanter Professorenvortrag an einer Universität ist ein ebenso ein Genuss wie ein Opernabend oder ein spannendes Fußballmatch.

Niemand fordert in Österreich Schulgeld für Volks- oder Mittelschulen und Gymnasien. Aber die Ausbildung zum Informatiker oder Maschinenbauingenieur oder auch  ein Studium an der Hochschule für angewandte Kunst zum Menschenrecht zu erklären, für das die Allgemeinheit aufkommen muss, ist auch unter dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit gewagt.

Auch Ernährung ist ein Grundrecht, und die Gesellschaft sorgt dafür, dass in Österreich niemand verhungert. Notfalls gibt es kostenlose Suppenküchen. Aber niemand würde auf den Gedanken kommen, die Nutzung von Supermärkten und Restaurants mit Hilfe von Steuergeldern gratis zu machen. Unis sind gute Restaurants und keine Suppenküchen.

Auch Wohnen und Sport sind menschliche Grundrechte. Dennoch zahlt jeder etwas Miete. Zwar sind manche Fußballplätze gratis und für jeden zugänglich, aber  Fitnesszentren und Skilifte sind es nicht - mit gutem Grund.

Das hat neben dem prinzipiellen Problem, dass die Allgemeinheit nicht privaten Konsum subventionieren sollte, auch praktische Gründe. Wenn Dienstleistungen nichts kosten, geht der Preismechanismus als Lenkungsinstrument verloren.  Erst durch Preise weiß man, wie viel etwas dem Verbraucher wirklich wert ist. Meist führt Kostenlosigkeit zu Unterangebot und Übernachfrage.

Das entspricht genau der Misere an unseren Unis, die schlecht finanziert und überlaufen sind – von jungen Menschen, die das Studium eher als Überbrückungsphase denn als eine ernsthafte Ausbildung oder eine intellektuelle Erfahrung betrachten.

Gesellschaftssysteme des 20. Jahrhunderts, in denen fast alles gratis geboten wurde, litten bald an einer höchst ineffizienten Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Das war der Hauptgrund dafür, dass die kommunistische Planwirtschaft überall in der Welt zusammengebrochen ist.

Das heißt nicht, dass Hochschulbildung ausschließlich privat finanziert werden soll. Denn, da hat Maurer recht, auch die Gesellschaft profitiert davon, wenn Einzelne höhere Bildung erwerben. „Positive Externalität“ heißt dieses Phänomen in der Volkswirtschaft und  rechtfertigt staatliche Zuschüsse – aber nicht eine vollständig kostenlose Zurverfügungstellung.

Richtig wäre daher ein Mischsystem, bei dem der einzelne Nutznießer einen Beitrag leistet und die Gesellschaft ebenso. Das ist weltweit üblich. Selbst in den USA mit ihren horrenden Studiengebühren kommt ein guter Teil der Hochschulmittel – über Stipendien, günstige Kredite, Forschungsförderung und direkte Zuschüsse an öffentliche Unis – vom Staat.

So weit wird man in Österreich sicher nicht gehen. Aber die 1000 Euro Studiengebühren im Jahr, die Ministerin Karl nun vorschlägt, stellen einen Selbstbehalt von etwa zehn Prozent dar. Das ist eigentlich eine Untergrenze.

Diese Zusammenhänge müssten der Innsbrucker  Politik- und Volkswirtschaftsstudentin Sigrid Maurer eigentlich bekannt sein.  Wenn sie schon Hochschulpolitik betreibt, sollte sie sich auch ein wenig mit den Grundlagen der Bildungsökonomie beschäftigen. Denn für Menschen mit öffentlichen Funktionen ist Bildung nicht nur ein Grundrecht, sondern auch eine persönliche Verpflichtung.