Frankfurt/Davos - Der jüngste Inflationsanstieg heizt Spekulationen über eine früher als erwartete Zinserhöhung in der Eurozone an. Eine Woche vor der mit Spannung erwarteten nächsten Sitzung des EZB-Rats schürten führende Notenbanker der Europäischen Zentralbank (EZB) höchstselbst eine entsprechende Erwartungshaltung an den Finanzmärkten. Der Kurs des Euro zog am Devisenmarkt kräftig an. Aktuelle Inflationszahlen aus Deutschland scheinen die Alarmstimmung zu bestätigen. Ersten Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge zog die Teuerung im Jänner um 1,9 (Dezember: 1,7) Prozent an. Parallel warnte der Bankenverband BdB aber vor einer "Inflationshysterie".

EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi machte sich am Donnerstag in Bologna für eine harte Gangart im Kampf gegen die Inflation stark. Er sagte mit Blick auf steigende Preise für Energie und Nahrungsmittel, in aller Welt müsse die Teuerung in der Euro-Zone "signifikant stärker eingedämmt" werden als etwa in Schwellenländern. EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark hatte bereits am Mittwochabend in Kiel erklärt, die EZB werde angesichts des Preisdrucks falls nötig handeln und sich dabei auch nicht von der Schuldenkrise einiger Euro-Länder abhalten lassen: "Es gibt keine monetäre Finanzierung, das heißt keine Finanzierung öffentlicher Haushalte durch die Zentralbank, und keine Monetisierung der Staatsschulden, das heißt wir lassen keine höhere Inflationsrate zu, die die reale Schuldenlast der Staaten lindern würde."

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet bekräftigte unterdessen beim Weltwirtschaftsforum in Davos, die EZB habe in den ersten zwölf Jahren der Währungsunion bewiesen, dass sie in der Lage ist, die Teuerung in Zaum zu halten. "Wir müssen wie andere Notenbanken in der Welt auch von Zeit zu Zeit mit einem Anstieg der Preise von Öl und Rohstoffen umgehen. Wir haben keinen Einfluss auf diese auf dem Weltmarkt gebildeten Preise, aber die Verantwortung, dass nicht dazu kommt, was wir die 'zweite Runde' nennen." Aufgeschreckt worden waren Politik, Notenbanken, Märkte und Öffentlichkeit schon zum Jahreswechsel, als bekanntgeworden war, dass die Inflationsrate in den 16 Ländern der Währungsunion auf 2,2 Prozent und damit auf den höchsten Wert seit gut zwei Jahren geklettert war.

Steigende Kosten

Im Sommer 2008, als der damals ebenfalls von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen ausgelöste Inflationsdruck einen vorläufigen Höhepunkt erreichte, hatte der EZB-Rat trotz der immer schlimmer werdenden Krise den Leitzins erhöht, später dann aber massiv gesenkt.

Der Schlüsselzins für die Versorgung der Banken mit frischem Zentralbankgeld liegt seit Mai 2009 nun bei rekordniedrigen ein Prozent. Derzeit rechnet noch niemand mit einer unmittelbar bevorstehenden Zinserhöhung der EZB. Wann die Zentralbanker ihre Geldpolitik straffen dürften, ist unter den Experten allerdings umstritten. Bini Smaghi warnte indirekt davor, den Leitzins zu lange zu niedrig zu lassen. Sollte die Teuerungsrate nicht unter zwei Prozent liegen, "müsste die Geldpolitik restriktiver werden, als sie eigentlich sollte, was zu einer Verlangsamung des Wachstums führen würde".

Mit Blick auf den importierten Preisanstieg bei Energie und Nahrungsmitteln sagte er: "Nur wenn die Rate der hausgemachten Inflation signifikant unter zwei Prozent liegt, ist es möglich, Zweitrundeneffekte bei den Inflationserwartungen zu vermeiden und das Wirtschaftswachstum auf Kurs zu halten." Bini Smaghi, Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Frankfurter Notenbank, bekräftigte, die EZB sei jederzeit in der Lage, über den Leitzins "losgelöst von unkonventionellen Maßnahmen" zu entscheiden. Sie versorgt derzeit die von der Krise nach wie vor geschwächten Banken umfassend mit Liquidität und kauft zudem am Markt Staatsanleihen verschuldeter Länder auf. Der Notenbanker warnte die Politik jedoch: Aktionen der Notenbank, die den Spardruck von den Regierungen nähmen, wären in der aktuellen Lage "kontraproduktiv". (APA/Reuters)