"Etwas so lange aufrechtzuerhalten, dass es Spaß macht, ist die hohe Kunst des Duos." Richard Dorfmeister (li.) und Peter Kruder wissen, wie's geht.

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Karl Fluch sprach mit den Dancefloor-Produzenten über Klischees, Mythen und Vorwürfe.

STANDARD: Sie eröffnen am Mittwoch eine Konzertreihe im Burgtheater. Ist das eine Adelung, oder haben Sie etwas falsch gemacht?

Dorfmeister: Wir haben eindeutig was falsch gemacht - nein, es hat sich einfach glücklich ergeben.

STANDARD: Die Wahrnehmung der Club-Kultur hat sich aber offenbar verändert?

Dorfmeister: Ja, sicher. Wir haben auch schon das Kreuz der Stadt Wien verliehen bekommen, es aber nicht abgeholt. Aber es stimmt schon: Wenn einen die Hochkultur anerkennt, ist es in den meisten Fällen schon vorbei. Aber auf uns trifft das nicht zu. Wir haben letztes Jahr einen Neustart gemacht, nachdem wir lange nichts veröffentlicht hatten.

STANDARD: Das Downtempo-Genre wird seit Jahren totgesagt, fühlen Sie sich als Überlebende?

Dorfmeister: Insofern ja, weil es eigentlich nicht unser Genre war. Wir haben Tracks gemacht, die eine Reaktion auf Techno waren: Eine Mischung aus HipHop, Vinyl-Kultur, History; ein richtiger Melting Pot.

STANDARD: Ihre Musik war zuerst modern, mittlerweile wirkt sie fast schon zeitlos.

Kruder: Das liegt schon an der Substanz. Wir wollten von Anfang an Classics machen. Von unserer ersten EP weg. Wir wollten nie vier Tracks veröffentlichen, von denen dann nur zwei gut waren, es müssen immer alle stimmen.

Dorfmeister: Darum gabs ja das Album nicht. Das war zwar fertig - es gab sogar schon Testpressungen -, aber nicht in der Qualität, die die EP hatte.

STANDARD: Sie waren die Superstars der Remix-Kultur, bereuen Sie, etwas nicht gemacht zu haben?

Kruder: Nein, wir haben alles gemacht, was wir wollten. Das andere ging sich einfach zeitlich nicht aus, oder uns ist nichts dazu eingefallen.

STANDARD: Worum gehts bei K&D?

Kruder: Um den Flow. Schwarze Musik, Groove. Das zieht sich durch alle Bereiche. Da steckt sehr viel Arbeit drin. Wir sind an Remixen oft zwei Monate Tag und Nacht gesessen. Das ist auch mit der Show so, es dauert Monate, bis wir sagen, so möchten wir das präsentieren.

STANDARD: An großen Duos kleben oft Klischees. Bei Ihnen: Dorfmeister, der knausrige Schnösel, Kruder, der lässige Kumpel-Typ.

Kruder: Darauf haben wir keinen Einfluss. Es heißt ja oft: Was? Ihr seid wieder zusammen? Dabei waren wir gar nie getrennt. Natürlich sind wir uns auch auf die Nerven gegangen. In den späten 90er-Jahren waren wir ja Tag und Nacht zusammen unterwegs. Aber es gab nie etwas Uncooles zwischen uns.

Dorfmeister: Doch, du hast einmal knausriger Schnösel gesagt.

Kruder: Ich bin halt ein lässiger Typ.

STANDARD: Derlei Mythen stören Sie nicht?

Dorfmeister: Nein, wir machen einfach weiter.

Kruder: Das ist ja die hohe Kunst des Duos: Etwas so lange aufrechtzuerhalten, dass es Spaß macht. Das kann natürlich leicht kippen, aber wir haben Sensoren, wenn wir wieder Abstand brauchen.

STANDARD: Überraschen Sie sich noch?

Kruder: Er mit seiner Wein-Selection, dauernd.

STANDARD: Und hinterm Mischpult?

Kruder: Auch dort, keine Frage. Das ist ja das Schöne. Wir machen Musik wie im Studio, nur live. Da gibt es genug Spielraum, dass die Shows jedes Mal anders ausfallen.

STANDARD: Womit arbeiten Sie live?

Dorfmeister: Wir arbeiten mit fertigen Tracks, einer Dub-Machine, Keyboards; all das wird mit den Videos synchronisiert. Das klingt so easy, es ist aber echt schwierig, das gut zusammen zu kriegen.

Kruder: Ein Teil ist, Tracks live neu zu mixen und neue Linien dazu zu machen.

Dorfmeister: Es ist wie ein Puzzle; und an manchen Abenden stimmt einfach alles. Aber das ist selten.

STANDARD: Die Anmutung Ihrer Live-Show erinnert an Kraftwerk.

Kruder: Wir sind erst im Nachhinein draufgekommen, dass es da Ähnlichkeiten gibt, aber wir kommen ja auch schon langsam ins Kraftwerk-Alter.

Dorfmeister: Aber Kraftwerk sind statischer.

STANDARD: K&D sind keine Roboter?

Dorfmeister: Definitiv nicht.

STANDARD: Sie werden oft dafür verantwortlich gemacht, dass elektronische Musik banal geworden ist.

Dorfmeister: Ja, gleichzeitig sind alle immer wahnsinnig stolz darauf, dass wir Österreich im Pop auf die Landkarte gesetzt haben. Ich weiß nicht, ob man das im Land spürt, aber wenn man aus Österreich rauskommt, ist das so.

Kruder: Wir haben keine Schuld an der Verwässerung, was wir abgeliefert haben, hatte Qualität. Verwässert hat es der Rest, der es nachgemacht hat. Ich verstehe aber, dass die Leute irgendwann gelangweilt waren von dem Sound. Wir waren es ja selber.

STANDARD: Die Band LCD Soundsystem hat Dancefloor mit Rock vermengt, interessiert Sie so etwas?

Kruder: Wir sind mit ihnen in San Francisco aufgetreten. Auf der Bühne standen 30, 40 weiße Kisten, auf den LCD SS stand. Und daneben stand ein kleines Kistchen, da stand K&D drauf, das ist unser Setup.

STANDARD: Der Beautycase.

Kruder: Genau. Im Ernst: Wir machen ganz anders Musik. Wir sind keine Band. Für das, was wir machen, eine Live-Setting zu entwickeln, war deshalb nicht einfach.

STANDARD: Ihr Label G-Stone funktioniert großfamiliär. Kann man heute noch G-Stoner werden?

Dorfmeister: Doch, sicher, aber es ist natürlich schwierig, das ist ja vor 20 Jahren aus einem Freundeskreis gewachsen.

STANDARD: Macht Sie das zu einer bedrohten Art?

Kruder: Heutzutage ist es für ein Label sehr schwierig. Man hat ja eine Verantwortung für seine Artists, und da sind wir im Moment echt an der Decke. Wir haben mit dem Label nie Geld verdient. Den Output hat unser Income finanziert. Heute muss man Musik verschenken, so schaut's aus. Da muss man schon noch einmal 18 sein, super ambitioniert, und es muss einem vieles egal sein.

Dorfmeister: Wir haben Glück gehabt, dass wir da in den 90ern reingeschwommen sind, als die Musikwelt noch halbwegs in Ordnung war. Wir haben ja noch ganz anders Netzwerke gebildet. Ohne Internet, nicht mal Handys gabs. Wir sind in London in der Telefonzelle gestanden und haben Labels angerufen und sind dann hingegangen. Das hat eine andere Qualität, als wenn du heute ein Mail oder eine Sekretärin schickst.(Karl Fluch, DER STANDARD - Printausgabe, 29./30. Jänner 2011)