Das Schlimmste ist vorüber. Diese Einschätzung war beim Weltwirtschaftsforum in Davos der Tenor. Die konzertierte Aktion der Industrieländer in den vergangenen zwei Jahren hat geholfen: Die EU-Staaten und die USA haben Milliarden in Programme zur Konjunkturankurbelung und Bankenrettung gesteckt. Jetzt geht es aber darum, die Schulden zurückzuzahlen und wirtschaftlich angeschlagene Staaten zu stabilisieren.

Während alle gebannt auf die Staaten in Europas Peripherie schauen, tickt in den Vereinigten Staaten eine Bombe: Deren Schulden sind weit höher als jene in der Eurozone. Die USA steuern auf ein Rekorddefizit von umgerechnet 1,1 Billionen Euro zu - fast 40 Prozent mehr als in der letzten Schätzung vom August.

Den USA könnte es bald wie Griechenland gehen, wenn sie in einen Sog geraten: Unsicherheit an den Märkten führt zu steigenden Zinsen, einem höheren Schuldendienst. Warnsignale gab es am Freitag: Die Ratingagentur Moody's schloss nicht aus, die Kreditwürdigkeit der USA mittelfristig herabzustufen; der Internationale Währungsfonds forderte die USA auf, schnell Pläne zur Budgetsanierung vorzulegen, sonst könnten die Finanzmärkte die Geduld verlieren.

Ob US-Präsident Barack Obama angesichts der gestärkten Republikaner zu einem rigiden Sparprogramm wie Griechenland und Großbritannien bereit ist, muss angesichts der konsumabhängigen US-Wirtschaft bezweifelt werden. Das ungewöhnlich nervöse Auftreten von US-Finanzminister Timothy Geithner in Davos ließ darauf schließen, dass er um die Probleme weiß. Verlieren aber die USA die Kontrolle über ihre Staatsschulden, wäre dies ein Schock für die Weltwirtschaft.

Als Helfer in der Not würde sicher wieder China einspringen. Das Land sitzt auf Währungsreserven im Ausmaß von umgerechnet mehr als zwei Billionen Euro. Das ist fast so viel wie das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt des Vorjahres. 907 Milliarden Dollar davon hat China in US-Anleihen geparkt.

China ist aber auch eine Art Bank Europas. Die Chinesen haben in den vergangenen Wochen im großen Stil Dutzende Milliarden Euro in Staatsanleihen der Eurozonen-Randstaaten Griechenland, Irland, Portugal und Spanien gesteckt. Nach Schätzungen dürfte die Volksrepublik Ende 2010 rund 560 Milliarden Euro in Anleihen aus dem Euro-Raum angelegt haben.

Die Finanzspritzen aus Fernost haben die Europäer gut brauchen können. Jetzt geht es aber darum, das Währungs- und Wirtschaftssystem nachhaltig zu stützen. Der Euro-Rettungsschirm ist zwar aufgespannt, aber er reicht nicht. Der Fonds verfügt nur auf dem Papier über 440 Milliarden Euro, tatsächlich stehen wegen der erforderlichen Deckung nur rund 250 Milliarden Euro zur Verfügung.

Die Regierungen der Eurozone werden rasch eine Einigung finden müssen. Es wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als noch einmal Geld zuzuschießen. Insbesondere die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, deren Land die Hauptlast trägt, ist noch nicht überzeugt. Aber es geht auch um deutsche Exporte. Können Länder in der Eurozone oder in den USA nicht so viele deutsche Produkte kaufen, ist es auch bald zu Ende mit dem Exportboom.

Peking wird in die Bresche springen, aber die Schwäche nutzen, um selbst mehr zu exportieren. Kein Wunder, dass Chinesen so selbstbewusst in Davos auftraten: Die Volksrepublik kann derzeit nur gewinnen. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.1.2011)