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"Wir gehen erst, wenn Mubarak zurücktritt" - Die Demonstranten wollen bleiben.

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ElBaradei am Tahrir-Platz: "Was wir angefangen haben, kann nicht rückgängig gemacht werden"

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Ein tieffliegender Helikopter über dem Tahrir-Square

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Präsident Mubarak mit seinem neuen Vizepräsidenten Omar Suleiman

Foto: AP Photo / Egypt State TV

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Die Armee bring sich in Stellung.

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Straßensperren in Kairo

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Quelle: APA

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Armeeoffizier schließt sich den Demonstranten an.

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Demonstranten am Sonntag am Tahrir Square in Kairo.

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Ausgangssperre in Kairo, Sonntagnacht.

Foto: Amr Nabil/AP/dapd

Kairo - Ägyptens angeschlagener Präsident Hosni Mubarak hat seinen neuen Regierungschef Ahmed Shafik mit einem politischen Reformkurs beauftragt. Mubarak sagte am Sonntag in einer Rede im Fernsehen, er dränge auf "umfassende" Schritte, um das politische System und die Verfassung zu reformieren. Dabei sprach sich der Staatschef für einen "Dialog mit allen Parteien" aus. Außerdem forderte er Shafik auf, "entschieden" gegen die Korruption zu kämpfen und das Vertrauen in die Wirtschaft wiederherzustellen.

Ägyptische Oppositionelle haben zu einer Massendemonstration für den morgigen Dienstag in Kairo aufgerufen. Die Jugendbewegung "6. April" wolle für den "Mega-Protest" gegen Präsident Hosni Mubarak mehr als eine Millionen Menschen auf die Straße bringen, berichtete der arabische Fernsehsender Al-Jazeera am Montag. Ziel sei es, weiter Druck auf Mubarak auszuüben, die Macht abzugeben. Seine Ankündigungen zu wirtschaftlichen und politischen Reformen gingen nicht weit genug.

Österreichisches Außenministerium holt Österreicher zurück

Eine AUA-Sondermaschine startet um 14.30 Uhr in Wien-Schwechat nach Kairo. Die Ankunft der Boeing 737 mit 182 Sitzplätzen in Wien ist für 22.55 Uhr geplant, teilte AUA-Sprecherin Ursula Berger der APA mit. Auch eine Maschine des Bundesheers, C130, nach Kairo ist geplant, wie es aus dem Außenamt gegenüber der APA hieß. Diese könne 55 Passagiere fassen, sie sollte umgehend starten und am Montagabend zurückkehren.

Dazu kommt eine AUA-Linienmaschine aus Kairo, die um 19.10 Uhr in Wien-Schwechat erwartet wird. Laut dem Sprecher des Außenministeriums, Peter Launsky-Tieffenthal, werden damit am heutigen Montag insgesamt drei österreichische Flugzeuge von Kairo abheben, die 419 Passagieren Platz bieten. Die zusätzlichen Flüge seien eine Reaktion auf die vermehrten Anfragen von Bürgern und Angehörigen beim Außenministeriums in den vergangenen Tagen und dienten dazu, "den Druck zu nehmen", so Launsky-Tieffenthal.

"Etwa 300 wollen heraus", antwortete Launsky-Tieffenthal auf die Frage, um wie viele Österreicher es derzeit gehe. 100 bis 150 Österreicher befinden sich bereits am Flughafen, die anderen seien auf dem Weg dorthin. Ein aus sieben bis acht Personen bestehendes Unterstützungsteam der Botschaft in Kairo leiste den Landsleuten an Ort und Stelle Hilfe.

Wegen der prekären Versorgungslage am Flughafen Kairo wurden die Sondermaschinen auch mit Gütern wie Mineralwasser und Nahrungsmitteln beladen, die an die festsitzenden Österreicher verteilt werden sollen.

Am Flughafen Kairo herrschte Augenzeugenberichten zufolge Chaos, Gewehrschüsse und eine hohe Militärpräsenz verstärkten den Stress vieler Ausreisewilliger. Eine Angehörige von zwei Österreichern berichtete der APA, dass diese seit Samstagnachmittag auf dem Flughafen festsäßen und "pausenlos von einem Raum in den anderen" gebracht werden. Sie seien "körperlich und seelisch am Ende".

Unterdessen waren die AUA-Flüge und von Flyniki von Österreich nach Ägypten am Montag kaum besetzt. Die tägliche AUA-Maschine um 10.20 Uhr nach Kairo war laut AUA-Sprecher Martin Hehemann nur zu rund 20 Prozent ausgelastet, die AUA-Flieger von Ägypten nach Österreich seien dagegen "voll" besetzt. Im Flyniki-Flieger nach Sharm el-Sheikh am heutigen Montagvormittag seinen nur 20 Passagiere gesessen, obwohl der Airbus 321 Platz für 212 Personen biete, sagte Flyniki-Sprecherin Milena Platzer gegenüber der APA.

"Für die Flüge nach Ägypten gibt es Stornierungen, sie sind ziemlich leer", so Hehemann zur APA. Den Annahmen nach sollen sich unter den Passagieren etwa Personen - wie Ägypter, die in Österreich leben - befinden, die in ihre Heimat zurückfliegen wollten, um ihr Hab und Gut zu schützen. In den vergangenen Tagen war es im Zuge der Unruhen auch zu Plünderungen gekommen. Die AUA hatte bereits am gestrigen Sonntag für den Vormittagsflug nach Kairo eine größere Maschine verwendet, um mehr Touristen zurückholen zu können. Am morgigen Dienstag sei wieder der Einsatz einer größeren Maschine, die ein wenig zeitlich vorverlegt würde, um bei der Landung einen größeren zeitlichen Puffer zu haben, geplant.

Festgenommene Journalisten in Kairo

Der ORF meldet außerdem, dass die ORF-Korrespondentin Nadja Bernhard und ihre Kamerateam vorübergehend am Flughafen in Kairo festgenommen worden sind. Geheimdienstagenten hätten das Team umzingelt und die Kamera sowie die Pässe der Journalisten an sich genommen, berichtete Bernhard im "Zib"-Interview. Auf der Polizeistation hätte das ORF-Team dann das gesamte Filmmaterial zeigen müssen. "Wir sind wirklich irgendwie wie Verbrecher behandelt worden", so Bernhard.

Unter der Bedingung, dass das österreichische Journalisten-Team den Flughafen verlasse, sei es freigekommen. "Hier gibt es offenbar von ganz oben die strikte Anweisung, diese Massenflucht aus Ägypten nicht zu dokumentieren", erklärte Bernhard weiter. Es schaue auf dem Flughafen so aus, dass Menschen in der Abflughalle campieren würden. Vor allen Schaltern seien "ewig lange" Schlangen und das ORF-Team habe ein völlig überfordertes Personal erlebt. Der Flughafen stehe kurz vor dem "logistischen Kollaps".

Laut dem Sender Al-Jazeera sind fünf seiner Journalisten in Kairo festgenommen worden.

Ashton ruft zu Gesprächen mit Opposition auf

Die EU-Außenministerin Catherine Ashton hat den ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak zu umgehenden Verhandlungen mit der Opposition aufgerufen. Auf die Hoffnungen der Bevölkerung "auf eine gerechte, bessere Zukunft" müsse die Regierung des arabischen Landes mit "raschen, konkreten und entschlussfreudigen Antworten" reagieren, sagte Ashton am Montag in Brüssel vor Beratungen der EU-Außenminister zur Lage in Ägypten. "Es muss einen friedfertigen Weg nach vorne geben, basierend auf einem offenen und ernsthaften Dialog mit den Oppositionsparteien und allen Teilen der Gesellschaft und wir denken, dass das jetzt geschehen muss."

ElBaradei: "Beginn einer neuen Ära"

Unter dem Jubel tausender Demonstranten im Zentrum der Hauptstadt Kairo hat der Oppositionspolitiker Mohamed ElBaradei am Sonntag den Ton gegen Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak weiter verschärft. Das Land stehe "am Beginn einer neuen Ära", rief der Friedensnobelpreisträger der Menge am Sonntagabend zu. Die Protestierenden verstießen gegen die Ausgangssperre und skandierten: "Wir gehen erst, wenn Mubarak zurücktritt!".

Neuer Geheimdienstchef

Hosni Mubarak hat den General Murad Mowafi zum neuen Geheimdienstchef ernannt. Wie die ägyptische Regierungszeitung "El Ahram" am Montag berichtete, folgt Mowafi dem einflussreichen Omar Suleiman, der am Samstag zum Stellvertreter Mubaraks berufen worden war. Mowafi war früher Gouverneur des Verwaltungsgebiets Nord-Sinai.

Zahlreiche Staaten fliegen ihre Bürger aus

Zahlreiche Staaten haben damit begonnen, ihre Bürger aus dem Land auszufliegen. Neben der deutschen Lufthansa und Air India organisierten am Montag auch die USA und Türkei zusätzliche Flüge, um Staatsangehörige die Möglichkeit zur Heimkehr zu bieten. China schickte zwei Flugzeuge nach Kairo, um 500 am Flughafen gestrandete Staatsangehörige abzuholen, wie Air China und Hainan Air mitteilten. Auch Japan ließ nach Angaben des Außenministeriums rund 500 Bürger nach Rom bringen. Das griechische Außenministerium erklärte, mindestens zwei Militärmaschinen stünden bereit. Auch die irakische Regierung schickte ein Flugzeug auf den Weg.

Deutsche und russische Touristen in den Feriengebieten fernab der Großstädte reagierten zunächst gelassen auf die Unruhen und brachen nach Angaben der Reiseveranstalter ihren Urlaub nicht ab. Aus Deutschland sind mehrere tausend Feriengäste im Land, aus Russland rund 40.000. Die belgische TUI- Travel-Tochter Jetair kündigte auf ihrer Internetseite einen Evakuierungsplan an, der ab Montag greifen sollte. Belgischen Medien zufolge halten sich etwa 1700 Landsleute am Nil auf.

Einige europäische und asiatische Unternehmen begannen damit, ihre Mitarbeiter abzuziehen, darunter der niederländisch-britische Ölkonzern Royal Dutch Shell und das italienische Energieunternehmen Eni. Die Philippinen, Thailand und das asiatische Sultanat Brunei trafen Vorkehrungen für einen besseren Schutz ihrer Bürger in Ägypten. Sie holten die Staatsangehörigen in ihre Botschaften oder forderten sie auf, sich mit Lebensmittelvorräten zu versorgen und das Haus möglichst nicht zu verlassen.

Spindelegger spricht von "Revolution"

Für Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) haben die Unruhen in Ägypten den Charakter einer Revolution. "Letztlich ist das eine Revolution, die hier vonstatten geht", sagte Spindelegger am Montag im Ö1-Morgenjournal. Daher sei es richtig, dass die Europäische Union "abwartend" reagiere, weil man nicht wissen könne, "wo das endet". So sei zu beobachten, "inwieweit sich tatsächlich ein Regimewechsel vollzieht". Auch sei abzuwarten, ob es unter dem neuen Premier Ahmad Shafik tatsächlich Reformen gebe. Es wäre somit "falsch festzulegen, ob man mit diesem neuen Premierminister kooperiert".

Spindelegger berät am heutigen Montag mit seinen EU-Amtskollegen über die Reaktion der Europäischen Union auf den sich abzeichnenden Umsturz im bevölkerungsreichsten arabischen Land. "Wir müssen alle an einem Strang ziehen in der EU", betonte der Minister. Er erwartet sich keine konkreten Entscheidungen, sondern Festlegungen "auf das Prozedere". Derzeit müssten sich die EU-Staaten vor allem darüber Gedanken machen, "wie wir unsere Staatsbürger (...) aus diesem Land herausbringen".

"Der Wandel kommt"

"Seid ganz ruhig, der Wandel kommt", rief ElBaradei den Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz (Platz der Befreiung) Stunden nach dem Beginn der nächtlichen Ausgangssperre am Sonntag zu. "Wir sind auf dem richtigen Weg, unsere Anzahl ist unsere Stärke", fügte er hinzu. "Wir werden unsere Seele und unser Blut für das Vaterland opfern", skandierten die Demonstranten. Der ehemalige Chef der UN-Atombehörde IAEA ging Hand in Hand mit den Demonstranten über den Tahrir-Platz. "Das Volk will, dass das Regime stürzt", rief die Menschenmenge. "Was wir angefangen haben, kann nicht rückgängig gemacht werden", erklärte der Friedensnobelpreisträger

Nach dem Willen der größten Oppositionsgruppe, der Muslimbruderschaft, soll der Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei mit der politischen Führung unter Staatschef Hosni Mubarak verhandeln. Auch andere Oppositionsvertreter hätten sich ihm als Verhandlungsführer einverstanden erklärt, teilte ein Führungsmitglied der Bruderschaft am Sonntag mit. Die Muslimbruderschaft ist die älteste, mitgliederstärkste und wichtigste islamistische Bewegung weltweit.  Die Bewegung der "Ikhwan" (Brüder) an sich ist in Ägypten verboten, bei den vergangenen, einigermaßen offenen Wahlen im Jahr 2005 kamen ihre Kandidaten allerdings auf etwa 20 Prozent.

ElBaradei: Mubarak muss zurücktreten

Früher am Sonntag forderte Mohamed ElBaradei in einem Interview mit dem amerikanischen TV-Sender CNN Präsident Husni Mubarak zum Rücktritt auf. "Die ägyptische Öffentlichkeit sagt klar und deutlich, dass Mubarak heute (Anm.: Sonntag) zurücktreten muss." Diesem Rücktritt müsse ein geordneter Übergang hin zu einer Regierung der nationalen Einheit folgen. Diese Regierung müsse dann "alle Maßnahmen setzen, um eine faire und freie Wahl zu ermöglichen."

"Ich bin von den Menschen, die die Demonstrationen organisiert haben und vielen anderen Beteiligten autorisiert, eine Regierung zu bilden", sagte ElBaradei. "Ich hoffe, dass ich bald mit der Armee Kontakt haben werde. Wir müssen zusammenarbeiten, die Armee ist ein Teil von Ägypten." ElBaradei kritisierte auch die Politik der USA, die momentan an "Glaubwürdigkeit verlieren" würde.

Obama verlangt "geordneten Übergang"

Wie das Weiße Haus veröffentlichte, hat US-Präsident Barack Obama in Telefongesprächen mit mehreren Staatschefs seinen Wunsch nach einem "geordneten Übergang" in Ägypten geäußert. Obama sprach mit dem saudischen König Abdullah, dem türkischen Premierminister Tayyip Erdogen, dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu und dem britischen Premier David Cameron.

In den Gesprächen wiederholte der Präsident seine Ablehnung von Gewalt und rief zur Zurückhaltung auf. Gleichzeitig sprach er sich für die Einhaltung der Menschenrechte aus, für die Versammlungs- und Redefreiheit. Der Präsident trete ein für einen "geordneten Übergang hin zu einer Regierung, die die Hoffnungen der ägypitschen Bevölkerung erfüllt", hieß es aus dem Weißen Haus.

Merkel drängt Mubarak bei Telefonat zu Reformen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Präsident Hosni Mubarak aufgefordert, die angekündigten Reformen umzusetzen und auf Gewalt zu verzichten. Sie habe Mubarak bei einem Telefonat am Sonntagnachmittag vor allem gemahnt, einen Dialog mit der Bevölkerung zu führen und "auf deren berechtigte Forderungen einzugehen", teilte die Bundesregierung am Abend mit. Zuvor hatte Außenminister Guido Westerwelle in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" gesagt, dass es auch deutsches Anliegen sein müsse, "dass nicht der gesamte Nahe Osten instabil wird".

Tausende Demonstranten ignorieren Ausgangssperre

Tausende Demonstranten haben ihre Proteste gegen das Regime des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak auch am Sonntag trotz einer Ausgangssperre fortgesetzt. Auf dem zentralen Tahrir-Platz in der Hauptstadt Kairo hielten sich eine Stunde nach Beginn der Ausgangssperre etwa 7.000 Demonstranten auf, berichteten Augenzeugen. An das Regime von Mubarak gerichtet skandierten sie: "Er geht, wir gehen nicht."

Ausgangssperre verlängert

Die ägyptische Regierung hat die Ausgangssperre ausgeweitet. Sie gelte ab Montag von 15.00 Uhr bis 08.00 Uhr (Ortszeit, 14.00 Uhr bis 07.00 Uhr MEZ) am folgenden Morgen, berichtete das Staatsfernsehen am Sonntagabend. Damit beginnt die Sperre eine Stunde früher. Die Maßnahme war zunächst am Freitag eingeführt worden.

WEITERLESEN - Frühere Ereignisse: Kampfflugzeuge im Tiefflug - USA und Europa: Ägypten muss zugesagte Reformen zügig umsetzen, Al Jazeera kann in Ägypten nicht mehr empfangen werden, die Armee rückt in Sharm el-Sheikh ein, die Elite flieht aus Kairo, Mumien wurden in Museen zerstört, die Zahl der Toten stieg auf 150 und der Geheimdienstchef wird Mubaraks neuer Vizepräsident.

Polizei ab Montag wieder im normalen Einsatz

Die ägyptische Polizei soll nach Angaben aus Sicherheitskreisen ab Montag wieder ihren normalen Dienst aufnehmen. Die Beamten würden den Verkehr leiten, Verbrechen nachgehen und ähnliche Arbeiten verrichten, hieß es am Sonntag in den Kreisen. Ausdrücklich solle die Polizei jedoch nicht gegen Demonstranten eingesetzt werden. Die Regierung hatte angesichts der Massenproteste gegen Präsident Husni Mubarak die Polizisten von ihrem regulären Dienst abgezogen. In den vergangenen Tagen kam es in Teilen des Landes zu Plünderungen. Seit Freitag ist die Armee im Einsatz, um für Ordnung sorgen. In der Bevölkerung genießen die Streitkräfte ein deutlich höheres Ansehen als die Polizei.

Mubarak trifft Militärs

Mubarak empfing den erst am Vortag zum Vize-Präsidenten bestimmten Omar Suleiman, Verteidigungsminister Mohamed Hussein Tantaui und die Spitze der Armee. Um an der Macht zu bleiben, ist Mubarak auf ihre Unterstützung angewiesen. Aber auch für einen geordneten Machtwechsel ist sie von entscheidender Bedeutung. Die Streitkräfte genießen in der Bevölkerung hohes Ansehen.

Soldaten bewachten am Sonntag Banken, Regierungsgebäude und Geschäfte, nachdem sich in der Nacht noch spontan gebildete Bürgerwehren Auseinandersetzungen mit Plünderern geliefert hatten. Auch strategisch wichtige Punkte in den Großstädten werden inzwischen von Soldaten gesichert, die Polizei hat die Kontrolle über die Straßen verloren. Über das Zentrum Kairos donnerten mindestens zwei Kampfflugzeuge und Armee-Hubschrauber hinweg. Am Nachmittag marschierten weitere Soldaten in der Millionen-Metropole auf, um eine nächtliche Ausgangssperre durchzusetzen.

Kampfflugzeuge im Tiefflug

Die ägyptische Armee hat am Sonntag vor mehr als zehntausend Demonstranten im Zentrum von Kairo Stärke demonstriert. Kampfflugzeuge überflogen den zentralen Tahrir-Platz im Tiefflug, während Soldaten mit mindestens 16 Fahrzeugen auf den Platz vorrückten, berichteten Augenzeugen wenige Minuten bevor um 16.00 Uhr (15.00 MEZ) wieder eine Ausgangssperre formal in Kraft trat.

Die Armee riegelte das Zentrum Kairos mit Sturmpanzern ab. Auf einem riesigen Transparent war zu lesen, das Militär solle sich "zwischen Ägypten und Mubarak" entscheiden.

USA und Europa: Ägypten muss zugesagte Reformen zügig umsetzen

Die USA und Europa erhöhten ihren Druck auf Mubarak und forderten ihn zu weitergehenden Reformen auf. US-Außenministerin Hillary Clinton drang auf eine geordnete Machtübergabe. An der Spitze Ägyptens dürfe keine Lücke entstehen. Ein gut durchdachter Plan sei nötig, der am Ende eine demokratische Regierung herbeiführe, sagte Clinton im TV-Sender "Fox News". Nach einem Treffen mit seinen Sicherheitsexperten ließ Präsident Barack Obama erklären, die USA konzentrierten sich weiterhin darauf, zur Zurückhaltung aufzurufen sowie die Menschenrechte und eine politische Reform des Landes zu unterstützen. Mubarak gehört zu den wichtigsten Partnern der USA im Nahen Osten und gilt als stabile Stütze der Bemühungen um Frieden mit Israel. Dessen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte angesichts der Proteste die Hoffnung, dass die Beziehungen zwischen den beiden Staaten stabil und friedlich blieben.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien riefen Mubarak ihrerseits in einer gemeinsamen Erklärung auf, die zugesagten wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen "rasch und vollständig" umzusetzen "und die Erwartungen des ägyptischen Volkes zu erfüllen". Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron lobten Mubaraks ausgleichende Rolle im Nahen Osten. Sie bezeichneten die Beschwerden des ägyptischen Volkes aber zugleich als berechtigt und forderten Mubarak auf, "einen Transformationsprozess zu beginnen, der sich widerspiegeln sollte in einer Regierung, die sich auf eine breite Basis stützt, sowie freie und faire Wahlen".

Neue Gouverneure

Zudem habe Mubarak für einige Regionen neue Gouverneure ernannt, darunter auch für den Sinai, hieß es in dem Bericht am Sonntag weiter.

Mubarak sei auch mit dem von ihm am Vortag zum Stellvertreter ernannten Geheimdienstchef Omar Suleiman zu Beratungen zusammengekommen. Das Staatsfernsehen berichtete nicht, welches Hauptquartier der Präsident besucht hat.

Die Armee hat wegen der Massenproteste an strategischen Punkten in den Großstädten mit Panzern Stellung bezogen und setzte in der Nacht zum Sonntag die Ausgangssperre durch. Soldaten bewachen Banken, Regierungsgebäude und große Kreuzungen. Im Gegensatz zur Polizei genießen die Streitkräfte in der Bevölkerung hohes Ansehen.

Al Jazeera eingestellt

Der arabische Fernsehsender Al Jazeera kann in Ägypten nicht mehr empfangen werden. Die ägyptische Regierung hat den arabischen Fernsehsender abgestellt. Wie die amtliche ägyptische Nachrichtenagentur Mena am Sonntag meldete, ordnete der scheidende Informationsminister Anas el Fekki ein Empfangsverbot für den Satellitensender an. Der Sender aus Katar hatte bisher umfassend über die Proteste gegen die ägyptische Regierung berichtet.

In einer Erklärung des arabischen Senders Al-Jazeera ist die Entscheidung der ägyptischen Behörden, den Sender abzustellen, als "Zensur der Stimme des ägyptischen Volkes" scharf verurteilt worden. Die Berichterstattung über die Ereignisse in Ägypten würde dennoch fortgesetzt.

Armee rückt in Teile von Sharm el-Sheikh ein

Die Armee ist am Sonntag in Teile der Touristenregion Sharm el-Sheikh am Roten Meer eingerückt. Auch in Al-Arisch im Norden der Sinai-Halbinsel hätten Soldaten Stellung bezogen, berichteten Augenzeugen und Sicherheitskreise auf dem Sinai.

Sharm el-Sheikh ist bei vielen Urlaubern beliebt. Die Lage dort blieb am Wochenende weiter ruhig, während es in vielen ägyptischen Städten zu Demonstrationen gegen das Regime von Präsident Hosni Mubarak sowie Plünderungen und Gewalt kam.

Elite flieht aus dem Land

Immer mehr Bürger der ägyptischen Oberschicht fliehen aus dem Land. Am Sonntag seien bis zum Beginn der Ausgangssperre erneut 45 Privatflugzeuge vom Flughafen Kairo gestartet, mit denen Unternehmer, Diplomaten und Künstler sowie ihre Familien ausflogen, hieß es aus der Flughafenverwaltung. Am Vortag waren 19 private Flüge gestartet. In einem Sonderterminal für nichtkommerzielle Flüge warteten am Sonntag weitere Gäste. In dem Terminal werden Passagiere abgefertigt, die mit Privatflugzeugen oder kleinen, privat gemieteten Chartermaschine starten.

OMV holt Ägypten-Mitarbeiter nach Österreich zurück

Der heimische Mineralölkonzern OMV holt derzeit wegen der Unruhen in Ägypten seinen österreichischen Mitarbeiter und dessen Familie vorübergehend nach Österreich zurück. Derzeit beschäftigt die OMV neben dem Expatriate weitere sechs Mitarbeiter im Land. Sie ist seit 2007 in Ägypten tätig. Sie hält 100 Prozent am Obaiyed Offshore Block 11, der im Mittelmeer liegt. Die OMV Niederlassung selbst befindet sich in Kairo. "Aufgrund der derzeitigen Situation reduzieren wird den Personalstand in Ägypten", so OMV-Sprecherin Michaela Huber am Sonntag

Zahl der Toten auf 150 gestiegen

Die Zahl der Getöteten ist am Sonntag auf mindestens 150 gestiegen. Neue Tote habe es seit der vergangenen Nacht vor allem in mehreren Gefängnissen außerhalb Kairos gegeben, aus denen Häftlinge ausbrachen, wie arabische Nachrichtensender weiter berichteten. Dabei wurden auch Brände gelegt, bei denen mehrere Menschen starben.

Ein Augenzeuge berichtete in Kairo, Hooligans hätten bereits am Samstag ein großes Gerichtsgebäude angezündet in der Stadt. Dabei seien auch viele Strafakten von den Flammen vernichtet worden. Am Rande Kairos machten Straßenräuber die Lage unsicher, wie Autofahrer berichteten.

US-Botschaft rät zur Ausreise

Die US-Botschaft in Kairo hat am Sonntag den Amerikanern nahegelegt, Ägypten so rasch wie möglich zu verlassen. Die Botschaft erklärte, man werde die Betroffenen so schnell wie möglich über Möglichkeiten zur Ausreise informieren. Gleichzeitig wurde eine Reisewarnung ausgegeben, in der US-Bürger aufgefordert wurden, wegen der Unruhen nicht nach Ägypten zu reisen. Zuvor hatte die Botschaft lediglich dazu geraten, auf nicht unbedingt notwendige Reisen nach Ägypten zu verzichten.

Türkei fliegt ihre Staatsbürger aus

Wegen der andauernden Unruhen in Ägypten will indes die Türkei ihre Staatsbürger mit zwei Sondermaschinen ausfliegen. Flugzeuge der Turkish Airlines sollten am Sonntag insgesamt 750 Menschen aus Kairo und Alexandria zurück in die Türkei bringen, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu aus Ankara. Die Flüge würden vom türkischen Außenministerium organisiert, erklärte ein Krisenstab in Ankara.

34 Muslimbrüder laut Anwalt aus Haftanstalt entkommen

Aus einem Gefängnis nördlich der ägyptischen Hauptstadt Kairo sind am Sonntag 34 Mitglieder der fundamentalistischen Muslimbrüderschaft entkommen. Einer der Anwälte der Geflohenen sagte, unter den 34 seien auch Mitglieder der obersten Führung der Muslimbrüderschaft. Die Wärter hätten zuvor die Haftanstalt von Wadi Natrun verlassen.

Laut einem Sicherheitsbeamten entkamen insgesamt tausende Häftlinge aus dem Gefängnis. Demnach revoltierten sie gegen die Wärter und bemächtigten sich ihrer Waffen. Unter den Geflohenen seien zahlreiche seit Jahren inhaftierte Islamisten sowie gewöhnliche Straftäter.

Sicherheitsbeamten berichteten unterdessen, auf einer Straße in der Nähe des Abu-Saabal-Gefängnisses im Osten Kairos lägen Dutzende Leichen. In dem Gefängnis gab es den Angaben zufolge zuvor eine Meuterei, bei der mindestens acht Häftlinge getötet wurden.

Gespannte Ruhe am Morgen

Nach den heftigen Protesten der vergangenen Tage hat sich die Lage in der ägyptischen Hauptstadt in der Nacht auf Sonntag nach Medienberichten etwas entspannt. Wie eine Korrespondentin des arabischen Senders Al-Jazeera am Morgen aus Kairo berichtete, sei es in den Straßen des Stadtzentrums ruhig. Zwar hätten trotz der Ausgangssperre noch Demonstranten, die den Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak fordern, über Nacht auf dem zentralen Tahrir-Platz ausgeharrt. Ihre Zahl sei aber deutlich zurückgegangen.

Bis zum späten Abend waren noch Ausschreitungen und Plünderungen aus Kairo gemeldet worden. In den Wohnvierteln der Hauptstadt, wo das Militär nicht in Stellung gegangen war, organisierten sich Bewohner in Bürgerwehren, um sich gegen Plünderer zu schützen. Die Armee hatte die Bürger per SMS aufgefordert, die bis 0800 Uhr (0700 MEZ) geltende Ausgangssperre einzuhalten, und andernfalls "scharfen Maßnahmen" angekündigt.

Plünderer festgenommen

Die ägyptische Armee hat bei Einsätzen gegen Plünderer bisher 450 Menschen festgenommen. Allein in den Städten Alexandria und Ismailija hätten Soldaten mehr als 250 Kriminelle festgesetzt, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija am Sonntag.

Plünderer zerstören Mumien im Ägyptischen Museum

Bei den Unruhen in Kairo sind Plünderer ins Ägyptische Museum eingedrungen. Sie hätten zwei Mumien zerstört, berichtete der TV-Sender Arabiya am Samstagabend. Das Museum beherbergt neben anderen unwiederbringlichen Artefakten die goldene Maske des Königs Tutenchamun. Ein Archäologe berichtet im Staatsfernsehen, dass Ägypter auf der Straße versucht hätten, das Gebäude durch eine Menschenkette zu schützen. Die Vandalen seien aber von Dach in das Museum gelangt.

Zudem wurden Supermärkte, Banken, Juweliere und Regierungsgebäude ausgeplündert. Demonstranten setzten am Samstag zudem die Zentrale der ägyptischen Steuerbehörde in Brand. Trotz einer Ausgangssperre waren am Abend Tausende Menschen auf der Straße. Bei den seit fünf Tagen anhaltenden Protesten gegen Präsident Husni Mubarak kamen mehr als 100 Menschen ums Leben.

Grenze in den Gazastreifen bleibt abgeriegelt

Angesichts der eskalierenden Lage in Ägypten hat die Regierung in Kairo die Grenze zum Gazastreifen abgeriegelt. Der Grenzübergang Rafah hätte am Sonntag nach einer zweitägigen, routinemäßigen Schließung wieder geöffnet werden sollen. Doch ein palästinensischer Grenzbeamter sagte, es sei damit zu rechnen, dass die Grenze noch einige Tage abgeriegelt bleibe. Die Demarkationslinie läuft mitten durch die palästinensische Stadt. Bis zu 600 Palästinenser passieren den Grenzübergang täglich.

Die Hamas erklärte, eine geplante Reise durch Ägypten nach Syrien sei angesichts der Ereignisse abgesagt worden. Die Hamas-Führer wollten dort die Freilassung eines seit langem von ihnen gefangen genommenen israelischen Soldaten diskutieren.

Zwölf Tote bei Zusammenstoßen

Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten sind am Samstag südlich von Kairo mindestens zwölf Menschen getötet worden. Demonstranten hatten versucht, eine Polizeiwache in der Stadt Beni Sueif etwa 140 km von der Hauptstadt entfernt anzugreifen. Damit starben nach Angaben von Sicherheitsbeamten seit Beginn der Proteste gegen Präsident Mubarak mindestens 92 Menschen.

Flucht aus Gefängnissen

Unterdessen flohen bei Unruhen Tausende Häftlinge aus den Gefängnissen, darunter sind auch Schwerverbrecher und islamistische Extremisten. Nach Informationen des lokalen Fernsehens gelang es allein im Gefängnis Abu Saabel, außerhalb Kairos, ungefähr 6.000 Gefangenen die Flucht. Ein weiterer Gefangenenausbruch wurde aus dem Zentralgefängnis in der Oasenstadt Fajum südlich von Kairo gemeldet. Dort sollen die Häftlinge einen Polizeigeneral getötet und einen weiteren General verschleppt haben.

Geheimdienstchef wird Vizepräsident

Als Nachfolger von Ministerpräsident Ahmed Nasif benannte Mubarak am Samstag den bisherigen Luftfahrtminister Ahmed Shafik. Den Geheimdienstchef Suleiman machte Mubarak zum Vize-Präsidenten. Der 82-Jährige versprach außerdem demokratische und wirtschaftliche Reformen, verteidigte aber zugleich das Vorgehen der Sicherheitskräfte.

Friedensnobelpreisträger ElBaradei warf Mubarak angesichts der schweren Unruhen vor, dem Volk nicht zuzuhören. Die Ernennung eines neuen Vize-Präsidenten und Ministerpräsident sei nutzlos, sagte er gegenüber Al-Jazeera.

US-Präsident Obama forderte in einem Telefonat mit Mubarak, Ägypten müsse konkrete Schritte zu Reformen unternehmen. Obama habe die ägyptischen Behörden aufgerufen, keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten anzuwenden, teilte das Weiße Haus mit. Pressesprecher Robert Gibbs erklärte, die US-Regierung erwäge eine Kürzung der Auslandshilfe in der Höhe von jährlich 1,5 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Euro), sollte Mubarak keine entsprechenden Maßnahmen einleiten. (red/Reuters/APA)