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Roland Berger

Foto: APA/EPA/Jens Kalaene

Der Unternehmensberater Roland Berger spricht sich für einen höheren Beitrag zur Euro-Stabilisierung aus und sieht darin auch Vorteile für Deutschland. Alexandra Föderl-Schmid sprach mit ihm in Davos.

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STANDARD: In Davos herrschte dieses Jahr Optimismus. Ist die Krise vorbei?

Berger: Ja, die Krise der Realwirtschaft ist vorbei. Die Staaten und Unternehmen haben die richtige Politik betrieben: die Staaten mit Konjunkturprogrammen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Bankrettungsaktionen, die Unternehmen mit Innovation und Produktivitätswachstum. Im deutschsprachigen Europa haben auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber gut zusammengewirkt. In puncto Kosten sind wir so wettbewerbsfähig geblieben.

STANDARD: Die staatlichen Konjunkturmaßnahmen werden zurückgefahren. Ist das eine Gefahr für die Konjunktur?

Berger: Wir werden mit einer Verlangsamung des Wachstums rechnen müssen und erst 2011/2012 wieder auf das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung kommen. Die Hauptprobleme Staatsverschuldung, Währungsverwerfungen und Protektionismus können sich noch verschärfen. Euro und Dollar wurden massiv abgewertet. Der Euro leidet vor allem unter den Ungleichgewichten im Euroraum.

STANDARD: Was sind die Hauptgründe dafür?

Berger: Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von Ländern an der Peripherie und die Zahlungsbilanzüberschüsse einiger Staaten, insbesondere Deutschlands. Im Gefolge dann eine dramatische Verschuldung der Südländer. Für die Ungleichgewichte müssen wir eine Lösung finden oder in Kauf nehmen, dass der Traum einer gemeinsamen Währung in Europa ausgeträumt ist.

STANDARD: Das heißt, Sie rechnen damit, dass die Eurozone auseinanderbricht?

Berger: Nein. Weil ich glaube, dass sich ein Konsens zwischen Politik und Notenbanken anbahnt, das Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und der Staatsverschuldung von Peripherie-Ländern zu lösen.

STANDARD: Und ein Ausscheiden eines Landes?

Berger: Das ist vertraglich und objektiv nicht möglich. Es würde über Nacht zu Kapitalflucht und Bankencrash im Austrittsland führen.

STANDARD: Reicht der 750-Milliarden-Rettungsschirm aus?

Berger: Nominal ja, aber er muss real so ausgefüllt werden, dass die 750 Milliarden Euro wirklich als Beleihungsgrundlage verfügbar sind. Jetzt gilt es vor allem Zeit zu gewinnen und die Wirtschaften der schwachen Länder schrittweise anzupassen, mithilfe einer Brückenfinanzierung der starken EU-Länder. Würden Griechenland und andere Südländer heute umgeschuldet, würde das deren Bankensysteme und damit auch die der starken Länder destabilisieren. Das würde die Ersparnisse der Bürger, Versicherungen und Unternehmen, etwa über Pensionskassen, gefährden. Eine Zinserhöhung von etwa vier auf sieben Prozent bei Staatsanleihen löscht de facto alle Spareffekte eines Defizitlandes wie Portugal aus. Und Wirtschaften wie die griechische werden kaum wettbewerbsfähiger, indem sie etwas mehr Agrarprodukte ausführen und mehr Touristen bewirten. Sie brauchen - an Auflagen gekoppelte - Hilfe aus EU-Strukturfonds und aus dem Rettungsfonds, um eine wettbewerbsfähige Wirtschaft auf- und Schulden abzubauen.

STANDARD: Die EU-Kommission drängt jetzt auf eine Ausweitung des Schirms - warum blockiert Deutschland?

Berger: Die politische Einsicht in das, was notwendig ist, und die Akzeptanz dessen bei den deutschen Bürgern weichen noch deutlich voneinander ab. Bedenken Sie: Deutschland hat seit 1989 jedes Jahr vier bis fünf Prozent des BIPs Richtung Ostdeutschland investiert. Daher sollte die Bevölkerung auch davon zu überzeugen sein, über drei Jahre insgesamt zehn Prozent des BIPs zur Rettung des Euro und damit der EU zu investieren. Ebendiese 350 Milliarden Euro würden ausreichen, um das jetzige Paket werthaltig zu machen. Und das würde Deutschland nutzen, denn wir weisen gegenüber den Euroländern einen Zahlungsbilanzüberschuss von 80 Milliarden Euro und gegenüber den EU-Ländern von 120 Milliarden Euro aus, das entspricht mehreren hunderttausend Arbeitsplätzen in Deutschland.

STANDARD: Rechnen Sie damit, dass nach Irland ein weiteres Land unter den Schirm schlüpft?

Berger: Man sollte Vorkehrungen für Portugal treffen. Aber ich glaube nicht, dass Spanien in eine ernste Schieflage geraten wird. Das Land hat weniger Schulden als Deutschland, fährt ein striktes Sparprogramm, hat eine industrielle Basis und Großbanken, die starke Global Players sind. Auch die Refinanzierung der Sparkassen ist auf gutem Weg. Greift die Brückenlösung, sind Spanien, aber auch Italien und Belgien außer Gefahr.

STANDARD: Schlummern in Osteuropa noch Risiken?

Berger: Ja! Sie schlummern allerdings auf deutlich höherem Sicherheitsniveau. Die Bonanza in Osteuropa, auch ausgelöst durch Investitionen aus Österreich, ist jedenfalls vorerst vorbei. Das Wachstum wird auf nahezu westeuropäisches Niveau sinken.

STANDARD: Wie sehen Sie die Entwicklung in Österreich?

Berger: Österreich ist in einer komfortablen Sandwichposition: Osteuropa konsolidiert sich, und der Nachbar Deutschland zieht an. Auch steht eine Zentral-Asien-Initiative vor der Tür.

STANDARD: Erwarten Sie durch das Ende der Übergangsfristen am 1. Mai in Deutschland und Österreich Probleme am Arbeitsmarkt?

Berger: Nein, im Gegenteil: Schon aus demografischen Gründen brauchen wir mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland. Die meist gut ausgebildeten Immigranten aus Osteuropa sollten wir herzlich willkommen heißen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.1.2011)