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In einer geplanten Fremdengestznovelle soll folgendes beschlossen werden: Wenn Eltern in Schubhaft müssen, können sie ihre Kinder mitnehmen oder das zuständige Jugendamt bekommt automatisch die "Obsorge".

APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Begleitet von Selbstbeweihräucherungen der PolitikerInnen wurden im Nationalrat vor einer Woche sechs Kinderrechte in den Verfassungsrang erhoben. Über Sinn und Zweck des mitbeschlossenen Vorbehalts in Artikel sieben mochte man zu diesem Zeitpunkt noch rätseln: Warum wurde da - in Artikel eins bis sechs - das Recht aller Unter-18-Jähriger auf u.a. Schutz und Fürsorge, auf Eltern und Meinungsäußerung zum Gesetz erhoben? - Und Artikel sieben beschränkt das alles wieder, wenn es "für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung...notwendig ist"?

Jetzt ist der Weihrauch futsch und es stellt sich heraus. Der Vorbehalt war nötig, um zum Beispiel weiterhin Kinder in Polizeigefängnisse - oder neuerdings: in gefängnisähnliche "Schubhaftzentren" - stecken zu können. Obwohl Kinder laut internationaler Kinderrechtskonvention nicht in den Häfen gehören. Sowie, um diese Kinder gegebenenfalls von ihren in Schubhaft sitzenden Eltern zu trennen. Sie in ein Heim zu bringen - und den Eltern vorübergehend die Erziehungsrechte wegzunehmen. Alles das, ohne ein österreichisches, verfassungsmäßig garantiertes Kinderrecht zu übertreten.

Kafka würde erblassen

Genau so sieht es die geplante Novelle des Fremdenpolizeigesetzes vor, die bis vor wenigen Tagen in Begutachtung war. Sie ist Teil von weiteren, umfassenden Änderungen der Ausländergesetzgebung, mit denen auch die so genannte Rotweißrot-Card eingeführt werden soll. Von Änderungen, wie sie in den vergangenen Jahren in Österreich fast im Sechsmonatabstand beschlossen wurden. Die den Umgang mit "Fremden" inzwischen in einem Ausmaß bürokratisiert haben, dass es selbst Franz Kafka erblassen ließe.

Die verfassungskonforme Ausländerkinderentziehung soll in Paragraf 79 Fremdenpolizeigesetz festgeschrieben werden. Müssen Familien mit Kindern in Schubhaft, können sie ihre Kinder "auf ausdrücklichen Wunsch" in den Polizeiarrest mitnehmen, heißt es darin sinngemäß. Wollen die Eltern das hingegen nicht, tritt das zuständige Jugendamt auf den Plan - und bekommt zu diesem Zweck, bis zum elterlichen Schubhaftende, "die Obsorge" für die Kinder übertragen.

Krisensituation

"Obsorge", das ist die Sorge um das kindliche Wohl, um Gesundheit und Erziehung, kann aber auch die Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten umfassen. Welche Familie, welches Elternteil - so fragen sich jetzt unter anderen Ruth Schöffl von UNHCR und die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits - wird es übers Herz bringen, sich in einer Krisensituation wie akuter Abschiebegefahr von den eigenen Kindern zu trennen? Welche ausländischen Eltern in einer solchen Lage sich darauf einlassen, die Obsorge vorübergehend an den österreichischen Staat abzugeben? Wohl keine.

Statt Schubhaft, also Einsperrung, für Minderjährige prinzipiell auszuschließen - was bedeuten würde, auch die Eltern zu verschonen - will das Innenministerium somit die fremdenrechtliche Kindereinsperrung in Österreich scheinbar verfassungskonform aufrechterhalten. Die Verantwortung dafür soll den betroffenen Eltern aufgeladen werden. Wirklich subtil.

Irene.Brickner@derStandard.at

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