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Binnen 24 Stunden muss in Daytona Beach natürlich getankt werden. Mehrmals sogar. Der Treibstoff der Fans ist Bier.

Foto: AP/Graham

"Geht's zum Langstreckenrennen nach Daytona Beach?", fragte der Grenzbeamte am Flughafen von Orlando sein Gegenüber als Erstes, bevor er überhaupt seinen Reisepass in die Hand nahm. Der langhaarige, junge Mann aus Europa mit Lederjacke und Dreitagebart bejahte. In der Folge entwickelte sich mit dem Officer ein entspannter, kurzer Plausch, dann folgte das Visum. Andere Mitreisende waren viel längeren Verhören ausgesetzt. Das Interesse an Motorsport und Daytona Beach dürfte den Grenzbeamten positiv gestimmt haben.

Selbst in den motorsportverrückten USA gilt die an der Ostküste Floridas gelegene Kleinstadt 100 Kilometer nordöstlich von Orlando als herausragend. Aufzeichnungen über rennsportliche Vergleiche reichen bis ins Jahr 1903 zurück, was Daytona Beach den Beinamen "Birthplace of Speed", also Geburtsort der Geschwindigkeit, einbrachte. Ab 1936 fanden Stockcar-Rennen am 37 Kilometer langen Strand statt.

Der Strand kann von normalen Straßenautos bis heute befahren werden. Wobei mit normalen Straßenautos in Florida auch überdimensionierte Pickups, Geländefahrzeuge und schnittige Sportwagen gemeint sind. Mercedes und BMW fallen durchaus auf - als Kleinwagen halt.

Legendär wurde die Stadt aber mit dem 1959 eröffneten "Daytona International Speedway", einem 5,7 Kilometer langen Kurs samt den Highlights, drei um 31 Grad überhöhte Steilkurven. Und seit Jahren gibt der am Sonntagabend (nach Blattschluss) zu Ende gegangene 24-Stunden-Langstreckenklassiker von Daytona den Auftakt zur amerikanischen Motorsportsaison.

Mit dem 22-jährigen Salzburger Martin Ragginger und dem Niederösterreicher Richard Lietz (27) waren auch zwei Österreicher jeweils in einem Porsche GT3 am Start. Ragginger startete im Privatteam des Millionärs Claudio Burtin. Der 48-jährige Argentinier ließ sich den Wochenendspaß in Daytona mit einer eigens für das Rennen zusammengestellten Mannschaft von 20 Leuten 350.000 Dollar kosten. Die Gegenleistung: Burtin fuhr selbst mit und durfte mit annähernd 300 km/h durch die Steilkurven brettern.

85 Liter fasst ein Tank im Porsche von Burtin, in wahnwitzigen 75 Minuten ist er in Daytona leer. Das Nachtanken wird dann auch gleich zum Fahrerwechsel genützt. In der 15. Stunde des Rennens und also im Morgengrauen von Daytona war es für das Team von Ragginger aber schon vorbei mit dem Wechseln. 378 Runden waren absolviert, da brachte der Engländer Nick Tandy den Porsche mit irreparablen Schäden an die Box. "Unser vierter Fahrer Nicolas Armindo hatte zuvor gleich zweimal mit Fremdautos touchiert", sagte Ragginger. "Schade, wir hatten alle Chancen."

Wäre das 24-Stunden-Rennen bezeichnenderweise wegen der Ölkrise 1974 nicht ausgefallen, hätte man 2011 die 50. Auflage feiern können. Aber 2012 kommt ja bestimmt. Denn die eigentlichen Stars, die das Spektakel am Leben halten, sind die Fans. 168.000 Menschen finden auf den Tribünen Platz. So viele Zuschauer wie bei "The Great American Race", wie die 500 Meilen von Daytona Beach genannt werden, sind es bei weitem nicht. Dafür spielt es sich beim 24-Stunden-Rennen im Innenfeld des zwei Quadratkilometer großen Rennkurses ab, frage nicht.

Während 50 Rennautos immerfort ihre Kreise ziehen und einen - euphemistisch formuliert - Höllenlärm fabrizieren, campen Zehntausende und feiern bei Bier, Hot Dogs und noch mehr Bier. Neben Campingzelten stehen fein herausgeputzte Porsche-Straßenwagen, im Pickup nebenan liegt Brennholz, das den halben Campingplatz durch die Nacht bringen könnte. Der Geruch von gegrillten Steaks hängt in der Luft, und er verdrängt den Gestank nach Benzin und abgenutzten Reifen. Fast ein Woodstock für Autofahrer.

Kumpel und Kind

Der 53-jährige Einzelhändler Mike Keith aus Orlando kommt seit Jahrzehnten nach Daytona, zuerst mit Kumpels, später mit Ehefrau Lisa und den Kindern. Lisa blieb diesmal zu Hause, dafür war die neunjährige Ashley mit dabei. "Hier sind Leute, denen Autos etwas bedeuten", sagt Keith. "Ich war bestimmt schon mehr als 100-mal an der Rennstrecke."

Am Montag kehrt vorerst Ruhe in Daytona ein, schon in zwei Wochen finden die ersten Nascar-Rennen statt, in drei Wochen steigen die klassischen Daytona 500. Im März kommen dann die Biker. Eine halbe Million Menschen feiern die auf zehn Tage ausgedehnte "Beach Bike Week". Besinnlich kann man die Sonne Floridas ja auch anderswo genießen.

Martin Ragginger drehte Runde um Runde. Nach 15 Stunden hatte der Porsche aber genug. (David Krutzler aus Daytona Beach, DER STANDARD Printausgabe, 31.1.2011)