Verlegerin Elisabeth Sandmann: "Wenn man heute ein Unternehmen gründet, ist es sehr wichtig, genau zu wissen, was man will. Ich wusste, die Idee muss funktionieren - darum hat es funktioniert."

Foto: dieStandard.at

Eindrucksvolle Bilder, außergewöhnliche Themen und ein Faible für Geschichte und Gesellschaft kennzeichnen die Bücher aus dem Elisabeth-Sandmann-Verlag: Schöne Bücher für kluge Frauen und Bücher für Entdecker, die von Geschäftsfrauen, Genussfrauen und mutigen Menschen erzählen, von Frauen mit grünem Daumen und Frauen auf dem Land, von Müttern berühmter Maler und jüdischen KunstsammlerInnen.

In all den kreativen Werken steckt das Herzblut von Verlegerin Elisabeth Sandmann: Im Zentrum von München führt sie seit sechs Jahren erfolgreich ihren eigenen gleichnamigen Verlag. Dass sie einmal als Chefin eigene Bücher herausbringen würde, hätte sie sich früher nicht gedacht, erzählt sie beim Treffen mit dieStandard.at, landete sie doch nur durch Zufall überhaupt im Verlagswesen: "Nach dem Abitur wusste ich nicht so recht, was ich machen sollte. In der Zeitung hatte ich eine Annonce gelesen, dass eine Aushilfskraft in einer Londoner Buchhandlung gesucht wird: Als ich meinem Englischlehrer die Bewerbung dafür zeigte, war er sicher, dass die mich nicht nehmen." Zum Glück können auch Lehrer irren, denn: "Ich begann wenig später in dieser Buchhandlung zu arbeiten und musste feststellen: Bücher sind meine Welt!"

Glücksgriff Lehrstelle

Der nächste Glücksgriff war eine Lehrstelle beim renommierten Literatur-Verlag Suhrkamp in Frankfurt: "Die zwei Jahre dort als Lehrling waren eine tolle Schule: Ich lernte alle Abteilungen kennen und bekam das Gefühl dafür, wie ein Verlag und verlegerische Arbeit funktioniert." In dieser Zeit lernte sie auch weltbekannte AutorInnen wie Max Frisch kennen - Begegnungen, die sie in bleibender Erinnerung behält: "Beim Suhrkamp-Verlag wurden die 'Autorenpflege' und die Bereitschaft, für die Autoren alles zu tun, hochgehalten. Mein damaliger Chef agierte nach dem Motto: 'Es steht niemand über dem Autor' - das macht für mich einen Verleger aus."

Nach der Lehre entschloss sich Elisabeth Sandmann, ein Studium für Kunstgeschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft anzuhängen, mit einem eindeutigen Ziel: "Mir war klar: Ich bleibe auf jedem Fall im Verlagswesen." Nach dem Doktorat trat sie dann auch direkt eine Stelle im DuMont-Verlag an, wo sie ihr bisher gesammeltes Wissen als Programmleiterin für Kultur- und Sachbuch anwenden konnte.

Gespür für Bilder

Aus dieser Zeit hat Elisabeth Sandmann das Gefühl für athmosphärische, außergewöhnliche Bilder und Fotografien mitgenommen, die bei den LeserInnen viel zur Beliebtheit ihrer Bücher beitragen: "Meine Bücher sollen eine Entdeckungsreise sein. Durch das bewusste Suchen und Auswählen von Bildern für Kunstbücher habe ich ein Gespür dafür entwickelt, welche am besten wirken und wie man sie geschickt platziert. Das war ein guter Grundstock."

Der nächste Karriereschritt führte Sandmann als Verlagsleiterin in den Nicolai-Verlag in Berlin, wo sie drei Jahre lang den Lifestyle-Bereich aufbaute - bis sie 2004 der Liebe und ihrem Mann, dem Verleger Friedrich-Karl Sandmann, nach München folgte und ihren eigenen Verlag gründete. "Es hat aber ein wenig gedauert, bis ich mir diesen Schritt zutraute", erzählt sie über die Anfangsphase, "vor allem, weil es zu einer Zeit war, wo die Buchhändler einem vermittelten: Es gibt doch schon alles, wozu braucht es also noch einen neuen Verlag?"

"Plan B" hatte sie damals keinen: "Wenn man heute ein Unternehmen gründet, ist es sehr wichtig, genau zu wissen, was man will. Ich wusste, die Idee muss funktionieren - darum hat es funktioniert." Ihr Ziel sei von Anfang an gewesen, mit dem Verlag ab dem ersten Jahr Geld zu verdienen: "Ich glaube, dieses Ziel ist sehr wichtig, wenn man ein Unternehmen startet, vor allem als Frau", betont die Verlegerin. "Frauen glauben oft, sie dürften das Ziel, damit verdienen zu wollen, nicht laut formulieren."

Starthilfe Bürogemeinschaft

Eine große Starthilfe war, dass die Räume des Verlags in einer Bürogemeinschaft mit 25 MitarbeiterInnen neben dem ihres Mannes angesiedelt sind: "Inhaltlich und administrativ sind es zwei vollständig voneinander getrennte Verlage. Ich konnte aber von Beginn an den schon bestehenden Vertrieb nützen, die Graphik, PR-Abteilung und die Buchhaltung und mein Mann hat mich in Fragen des Vertriebes und der Disposition mit seinem Wissen unterstützt."

Seine spezielle Nische hat der Verlag schon bald nach dem Start in Form der "klugen Frauenbücher" gefunden: Viele der in dieser Reihe erschienen Bände - sechs bis acht pro Jahr - entwickelten sich zu Bestsellern. "Meine Grundidee für den Verlag war, Bücher für Entdecker herauszubringen, also bekannte Themen aufzugreifen und auf eine neue Art und Weise zu präsentieren", so Elisabeth Sandmann. "Mit dem zweiten Programm kam 'Frauen, die lesen, sind gefährlich' über die Geschichte weiblichen Lesens heraus - das hat dem Verlag so etwas wie einen Stempel aufgedrückt." Das Buch entwickelte sich zum bisher größten Erfolg des Verlags, war über Monate auf der Bestsellerliste Kunstbuch und wurde weltweit in 16 Länder verkauft. "Damit hat sich ein neuer Weg aufgetan, den musste man nur noch gehen."

Immer neue Ideen

Seitdem kommen der Verlegerin pausenlos neue Ideen, die umgesetzt werden wollen: "Ich kann gar nicht so viele Bücher machen, wie ich Ideen habe", lacht sie. Die meisten Buchideen kommen von ihr selbst, sie sucht dann auch die AutorInnen dafür aus. "Ich habe bestimmte Themen im Kopf, beginne zu recherchieren, wer sich in dem Bereich auskennt und gut schreiben kann und spreche die dann gezielt an", schildert Sandmann. "Oft machen die AutorInnen bei mir dann auch mehr als ein Buch."

Worauf muss sie als Leiterin eines kleinen Nischenverlags bei der Themenwahl achten? "Die Themen sollen eine große LeserInnenschar interessieren, dürfen aber gleichzeitig auf keinen Fall Mainstream sein; sie sollen für viele Menschen spannend sein, aber immer noch persönlich und emotional gestaltet und aufgebaut werden können." Bücher über Frauen seien ihr ein persönliches Anliegen: "Mich interessieren Frauenbiografien und der weibliche Blick auf die Themen. Es gibt noch so viele Biografien, die es lohnt, sie aus der Vergessenheit zu holen."

Selbstständigkeit als Herausforderung

Ihre Funktion als Verlagsleiterin und die Selbstständigkeit bringen für Sandmann tagtäglich neue Herausforderungen mit sich: "Zum Glück ist einem, wenn man beginnt, nicht immer klar, welche Hürden da alle auf einen zukommen. Man lernt aber mit der Zeit, damit gelassener umzugehen. Man wächst auch an den Aufgaben."

Selbstständigkeit bedeute natürlich auch, nie eine Ruhepause zu haben: "Man ist immer gefragt, auch am Wochenende laufen die Gedanken an den Verlag weiter." Dennoch sei sie mit der Wahl der Selbstständigkeit zufrieden: "In der Verlagsbranche gibt es viele sehr gute, unabhängige Verlegerinnen, in den Verlagskonzernen aber sehr wenige in anspruchsvollen höheren Positionen. Wenn man seine Vorstellungen in dieser Branche als Frau verwirklichen möchte, ist es ein durchaus riskanter, aber ein schöner Weg, wenn man sich selbstständig machen kann. Innerhalb eines Betriebs ist das glaube ich sehr schwierig."

Wenig Zeit für Kreatives

Neben der organisatorischen Arbeit bleibt der Mutter eines 20-jährigen Sohnes im Alltag meist wenig Zeit für Kreatives. Als Chefin stehen täglich viele Entscheidungen an, die sie nach guter Beratung mit ihrer engsten Mitarbeiterin trifft, mit der sie auch ihre Buchkonzepte von Anfang bis Ende durchbespricht und deren ehrliches Feedback ihr wichtig ist. In ihrem kleinen Verlag kann sie Aufgaben nicht immer delegieren, aber: "Es ist auch ganz gut, wenn vieles in der eigenen Hand bleibt."

Wichtig sei ihr, mit dem, was sie tut, Botschaften zu verknüpfen: "Ich möchte auch hin und wieder Bücher machen, nur um ein Statement zu setzen, obwohl ich weiß, dass ich damit vielleicht keinen wirtschaftlichen Erfolg haben werde. Wenn man wirtschaftlich bereits erfolgreich ist, sollte man sich das leisten können." So habe sie etwa in einer kleinen Auflage ein Buch über Contergan-geschädigte Menschen herausgebracht: "Für die Betroffenen war es wichtig, dass ihre Geschichte erzählt wird, weil sie sich dadurch wertgeschätzt fühlen und für mich war es eine große Bereicherung." (Isabella Lechner/dieStandard.at, 30.1.2011)