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Tzimon Barto mit Brahms.

Foto: APA/Robert Newald

Wien - Er eröffnet jede Saison mit einem Auftragswerk, hat eine klug konzipierte Konzertreihe für Neue Musik eingeführt, pflegt aber auch mit Hingabe das klassisch-romantische Repertoire. Die Abozahlen konnten in den letzten zwei Jahren um 14 Prozent auf über 5000 gesteigert werden. Das ist gut. Noch besser ist: Als Dirigent ist er nicht nur ein hochpräziser Organisator, ein kenntnisreicher Analytiker und mitreißender Motivator, sondern auch ein seelisch reicher, bereichernder Musiker.

Andrés Orozco-Estrada hat es geschafft, das gern belächelte Tonkünstler-Orchester Niederösterreich zu einem technisch wie musikalisch beeindruckenden Klangkörper zu formen. Das Eingangsportal von Beethovens Siebter, die vier Forte-Akkorde des Poco sostenuto, bot der junge Kolumbianer als eine Art Konzentrat der Inhalte dieser Symphonie dar. Mit Verve, federnder Forschheit erfüllt nahmen sie die Stimmungspole des unter dem Eindruck der Napoleonischen Besatzungszeit entstandenen Werkes vorweg: den "éclat triomphal", den "élan terrible" der französischen Militärmusiken einerseits, andererseits eine revolutionäre, überschäumende Lebenslust als Grundzug dieser Zeit.

Der Dur-Moll-Wechsel, wie auch jener zwischen matter Klage und herber Anklage, ergriff im Allegretto solcherart, wie die fröhliche Geschwätzigkeit im Scherzo mitriss und die brachiale Betonung des Offbeats im Finalsatz euphorisierte. Die Wiener Philharmoniker gaben die Siebte in der letzten Saison mit Christian Thielemann. Und: Thielemann und die Philharmoniker bräuchten den Vergleich mit Orozco-Estrada und den Tonkünstlern nicht zu scheuen. Sie würden ihn aber in diesem Fall verlieren.

Im ersten Teil hatte Tzimon Barto Brahms' 1. Klavierkonzert angenehm eigenartig interpretiert: behutsam tastend, delikat, klangzaubernd, wie aus der Zeit gefallen in den Solopassagen. Why not. (Stefan Ender, DER STANDARD - Printausgabe, 1. Februar 2011)