Ausgetrickst. Zu ihrem Ärger müssen die Paparazzi am Dienstag auf Bilder vom Verhör Nicole Minettis verzichten. Denn Berlusconis Mitangeklagte fand sich bereits am Sonntag in der Staatsanwaltschaft ein. Schneetreiben und ein Fahrverbot in der Mailänder Innenstadt sorgten dafür, dass Italiens umstrittenstes Showgirl das Gerichtsgebäude unbemerkt betreten konnte. Minetti soll gestanden haben, zahlreiche junge Frauen zu Abenden in Berlusconis Villa eingeladen zu haben. Sie sei jedoch nicht die "Mätresse" des Premiers. Die üppige Bezahlung der Mädchen sei keine Gegenleistung für Sex, sondern eine "reine Geste der Großzügigkeit Berlusconis" . Auf einige Fragen verweigerte die 25-Jährige die Antwort. Die Staatsanwälte wollen noch diese Woche ein verkürztes Verfahren gegen den Premier beantragen.

Nach der teilweisen Aufhebung der Immunität durch das Verfassungsgericht werden eingestellte Prozesse gegen Berlusconi wieder aufgenommen. Das Korruptionsverfahren im Fall Mediaset wurde für 20. Februar anberaumt. Undurchsichtig bleibt seine Verteidigungsstrategie. Die Leser des Corriere della Sera rieben sich am Montag verwundert die Augen. In einem halbseitigen Appell wandte sich der Cavaliere in der ungeliebten Zeitung an den politischen Gegner, den er noch kurz zuvor als Kommunisten verleumdet hatte. Zwar habe Pier Luigi Bersani im Fall Ruby "in den Chor moralistischer Heuchler" eingestimmt. Dennoch sei er bereit, mit ihm einen Wirtschaftsplan für Italiens Aufschwung auszuarbeiten. Der Partito Democratico lehnte das ungewohnte Angebot postwendend ab. Es handle sich um "Propaganda übelster Art" . Berlusconi versuche, "von seiner misslichen Lage abzulenken" .

Demokratischer Notstand

Ex-Regierungschef Massimo D'Alema schlug Christdemokraten und Fini-Anhängern eine Allianz vor, um die Ära Berlusconi zu beenden. Angesichts des "demokratischen Notstands" müssten sich alle Oppositionskräfte zusammenschließen und "ein umfassendes Reformprogramm" realisieren: "Gemeinsam verfügen wir über 60 Prozent der Stimmen." Während Pier Ferdinando Casini von den Christdemokraten den Vorschlag "überlegenswert" fand, kamen aus Finis Partei Futuro e Libertà ablehnende Reaktionen. Casini, Fini und Francesco Rutelli hoben am Wochenende in Todi die Zentrums-Union aus der Taufe, die mit rund 15 Prozent der Stimmen rechnen kann.

Zwei seiner ehemaligen Minister forderten den Premier auf, sich zu den Sex-Vorwürfen zu äußern. Giuliano Ferrara empfahl ihm, sich einer TV-Debatte zu stellen. Ex-Innenminister Giuseppe Pisanu erklärte, es sei offenkundig, dass Berlusconi die "politische Kontrolle entglitten sei" . Dem Land drohe ein "folgenschwerer institutioneller Konflikt".

Bereits diese Woche könnte Berlusconi allerdings über ein ganz anderes Problem stolpern. Am Donnerstag findet in der zuständigen Parlamentskommission die Abstimmung über die Föderalismus-Reform statt. Das Ergebnis dürfte hauchdünn ausfallen. Im Fall einer Ablehnung will die Lega Nord "umgehend aus der Regierung ausscheiden". (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2011)