Nervös und mit gesenktem Blick ließ sich Tony Blair vergangenes Wochenende von seinen Bodyguards den Weg durch das Foyer des Weltwirtschaftsforums bahnen. Eine Einschätzung zur Lage in Ägypten, Mr. Blair? Nein, die war vom internationalen Nahostbeauftragten in Davos nicht zu bekommen. Er ließ sich erst drei Tage später mit folgender Einsicht zitieren: "Wir haben es mit einem Wandel zu tun. Aber wohin wird dieser Wandel führen und wie können wir ihn managen?"

Das ist eine gute, eine zentrale Frage, mit deren Beantwortung die internationale Diplomatie seit Ausbruch des Aufstands gegen Hosni Mubarak ihre liebe Not hat.

Im Gegensatz zu Tunesien steht im Falle Ägyptens verhältnismäßig viel mehr auf dem Spiel: Das Land hat eine geostrategische Scharnierfunktion zwischen dem Maghreb, dem Nahen Osten und Schwarzafrika. Fällt Kairo in unsichere Hände, wird Ägypten zu einem Instabilitäts-Exporteur in alle drei Regionen. Einige Beobachter sprechen von der wichtigsten Entwicklung im Nahen Osten seit der iranischen Revolution vor gut 30 Jahren. Andere sehen ein "1989 für die muslimische Welt" und Auswirkungen auf all die despotischen Regime zwischen Algier und Islamabad.

Was immer derzeit in Ägypten vor sich gehen mag, für die US-Regierung ist es die bisher größte außenpolitische Bewährungsprobe in ihrer Amtszeit. Präsident Barack Obama erlebt nach seiner Kairoer Versöhnungsrede an die Muslime im Juni 2009 gewissermaßen seinen zweiten "Kairo-Moment" .

Ähnlich wie beim Zusammenbruch des Ostblocks 1989, der die Amerikaner auf dem falschen Fuß erwischte, geht es ihnen heute im Nahen Osten. In Washington hat niemand einen Plan, wohin die politische Reise in Ägypten gehen wird. Die US-Regierung muss sich vorsichtig positionieren, aber sie positioniert sich immerhin. Sie versucht das Heft in der Hand zu halten, Werte zu verteidigen und gleichzeitig realpolitische Verhältnisse im Blick zu behalten. Der Präsident mahnt Strukturreformen ein, Außenministerin Hillary Clinton fordert freie und faire Wahlen. Gleichzeitig nehmen die USA massiven Einfluss auf das Militär. Das ist es wohl, was Blair mit Management des Wandels gemeint hat.

Auf europäischer Seite sind diese Managementfähigkeiten etwas diskreter ausgeprägt. Einmal ganz abgesehen davon, dass weder die EU noch einer ihrer Mitgliedstaaten realpolitisch etwas zu melden hat in dieser Weltgegend, hat Europa erst am siebten Tag der Krise so etwas wie eine gemeinsame Position gefunden. Nachdem Berlin, Paris und London mit einer Dreier-Stellungnahme am Wochenende vorgeprescht waren, hoppelten am Montag EU-Außenministerin Catherine Ashton und die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten mit dem harmlosen Appell zu Gewaltlosigkeit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte hinterdrein - ein bemerkenswerter Vorgang für eine Union, die sich genau auf diese Werte gründet.

Und Österreich? Die hiesigen Außenpolitiker sind wie immer schon abgekühlt, bevor sie sich überhaupt zu einem Mütchen aufschwingen konnten. Außenminister Michael Spindelegger wollte sich "auf keine der beiden Seiten schlagen" , bevor er nach Brüssel fuhr und Wien wieder einmal im Windschatten der Union weitersegelte. Für ein Land, das sich seiner Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat rühmt, ist das kein Ruhmesblatt. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2011)