Im Internet wogt die Debatte über Amy Chua, die einen ethnisch-chinesischen Hintergrund mitbringt. Aber anders, als es sich der Westen vorstellt, üben die meisten Pädagogen, Lehrer und erstaunlich viele Eltern in dutzenden Zeitungen Kritik an der unter ständigem Leistungsdruck stehenden Erziehung, mit der Amy Chua ihre Töchter zum Erfolg drillte.

Schon der Titel der Übersetzung musste für China abgeändert werden: Mutter sein in den USA heißt das Buch und nicht wie in den USA Battle Hymn of the Tiger Mother ("Schlachtruf der Tigermutter", auf Deutsch als Die Mutter des Erfolgs herausgegeben). Um Kritik vorzubeugen, sagte Amy Chua zu Chinas Presse, sie gebe gar nicht vor, eine chinesische Mutter zu sein. Ihr Buch schildere, wie sie als traditionell chinesisch erzogene US-Einwanderin ihre in den USA aufwachsenden Kinder vor dem für Immigranten besonders schweren US-Hintergrund erzogen habe, sich zu behaupten, indem sie bei allem die Besten sein müssen.

Zwischen den Stühlen

Amy Chua bedient mit ihrem Buch zwei völlig unterschiedliche Debatten in West und Ost und setzt sich damit zwischen zwei Stühle: In den USA oder Europa trifft sie auf das Unbehagen über Fehlentwicklungen und Versäumnisse einer zu beliebig gewordenen Bildungsvermittlung, deren Mängel wie Leseschwächen etwa bei den Pisa-Tests aufgedeckt wurden. In China aber erscheint ihr Buch vor dem Hintergrund einer wachsenden Ablehnung des stupiden Einpaukdrills im eindimensionalen chinesischen Schulsystem.

Immer mehr modern denkende Chinesen wollen über Reformen aus der als Sackgasse empfundenen, nur auf Bestnoten bei Prüfungen ausgerichteten Ausbildung heraus. Sie verstehen daher auch nicht den Hype im Westen um die selbstverständlich erfolgreichen Schanghaier Schüler bei den Pisa-Tests oder um Chuas Buch.

Vor allem verstehen sie nicht, wie Chinas nach dem Chaos der Kulturrevolution wiederhergestelltes Eliten-Ausbildungssystem, das neben der Schule durch den Druck der Ein-Kind-Familie auch noch über die Eltern verschärft wurde, vom Westen als Erklärung für den Aufstieg Chinas betrachtet wird. "Während wir zum Konsens kommen, dass unsere Knüppelerziehung keine Zukunft hat", werde diese von außen gelobt, empören sich dutzende renommierte Pädagogen in der Wochenzeitschrift Nanfang Zhoumo.

Sie handeln das Buch von Amy Chua unter der Überschrift ab: "Warum erschüttert Chinas 'Tigermutter' die USA?" und geben zur Antwort: "Es ist nicht so, dass wir hier so stark sind, sondern, dass ihr euer Licht unter den Scheffel stellt." Das Ziel einer erfolgreichen Ausbildung müssten selbstständige, selbstbestimmte und zur Innovation fähige Bürger sein.

Kritische Chinesen haben den Namen von Amy Chua zu einem Wortwitz verarbeitet, den die von der Nachrichtenagentur Xinhua herausgegebene Zeitschrift Herald vorstellt: Fragt eine Mutter die andere: "Bist du auch so eine Amychua-Mutter?" - "Ja, ich amychuae meine Kinder."- "Wirklich? Weißt du nicht, dass Amychuaen erwiesenermaßen schädlich für Kinder ist?"- "Aber ich amychuae sie doch schon lange. Was kann ich machen?" - "Sammle schon einmal Geld, um die Spätfolgen zu bezahlen." (Johnny Erling aus Peking, 1.2.2011)