In zahlreichen arabischen Ländern und auch im Iran gehen Menschen auf die Straßen, um gegen autoritäre Regime zu protestieren oder die Protestbewegungen der Nachbarländer zu unterstützen. In Folgenden ist die Situation in den einzelnen Ländern kurz geschildert.


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Tunesien ist das Land, in dem alles begann. Nach einem knappen Monat heftiger Proteste floh der langjährige Staatschef Zine el-Abidine Ben Ali am 14. Jänner 2011 ins saudi-arabische Exil. Die Proteste gingen weiter, bis auch die meisten seiner Gefolgsleute die Regierung verlassen hatten.

Seither wurde Ben Ali bei zwei Prozessen verurteilt. Beide Verfahren fanden ohne ihn statt, er wurde zu insgesamt 50 Jahren Haft und einer Gelstrafe von rund 46 Millionen Euro Geldstrafe verurteilt. Weitere Prozesse sollen aber in den kommenden Monaten folgen, gegen ihn und seinen Clan liegen mehr als 90 Anklagepunkte vor. Dass er je hinter Gittern sitzen wird, gilt als wenig wahrscheinlich - Saudi Arabien reagierte bisher nicht auf Auslieferungsversuche. In Saudi Arabien verbrachte auch der ehemalige ugandische Diktator Idi Amin ("Der Schlächter von Afrika") unbehelligt seinen Lebensabend.

Ben Ali ist geflohen.

Seit Ben Alis Flucht regiert eine Übergangsregierung unter Premierminister Béji Caïd Essebsi. Er übernahm das Amt von Mohamed Ghannouchi, der zurücktrat. Ben Alis alte Partei, die RCD mit damals über zwei Millionen Mitgliedern, wurde mittlerweile verboten. Die Regierung hat Anfang Juni den Termin für die geplante Wahl des Verfassungsrates abermals verschoben. Dieser Rat soll eine neue Verfassung ausarbeiten. Die Wahl soll nun am 23. Oktober stattfinden (erst war der 24. Juli geplant). Die Verschiebung wurde damit gerechtfertigt, dass über 400.000 TunesierInnen noch keine Wahlunterlagen hätten.

Für die Wirtschaft brachte die Revolution Schlechtes mit sich, dem Tourismus im Mittelmeerland droht das schlimmste Jahr seit Jahrzehnten. Touristen meiden seit den Unruhen das Land, die Übernachtungen und Buchungen brachen um die Hälfte ein. Der Tourismus ist ein wesentlicher Wirtschaftszweig. Vor der Revolution erwirtschaftete die Branche sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 400.000 der rund zehn Millionen Einwohner finden in diesem Bereich Arbeit.


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Auslöser für die Unruhen in Algerien waren stark gestiegene Preise für Grundnahrungsmittel. Wie in anderen Ländern des Arabischen Frühlings sieht die Jugend aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage - trotz großer Öl- und Gasvorkommen - keine Aussichten auf eine freudige Zukunft.

Seit Anfang Jänner kam es immer wieder zu Protesten und auch öffentlichen Selbstverbrennungen. Die Sicherheitskräfte griffen jedoch stark ein und erstickten viele Zusammenkünfte schon im Keim. Immer wieder wurde Gewalt gegen Demonstranten angewendet.

Präsident Bouteflika lässt seine Sicherheitskräfte Demonstrationen verhindern und niederknüppeln.

Ende Februar wurde nach 19 Jahren der Ausnahmezustand aufgehoben. Damals wurden Gerüchte gestreut, der gesundheitlich angeschlagene 74-jährige Präsident Abdelaziz Bouteflika könnte früher zurücktreten (seine Amtszeit läuft noch bis 2014), mittlerweile ist davon aber keine Rede mehr.

Regelmäßig wurden vom Präsidenten abwärts Reformen angekündigt, auf die Oppositionelle und Menschenrechtler jedoch enttäuscht reagierten: Es gebe nur wenige Zugeständnisse seitens des Regimes.


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In Jordanien reagierte König Abdullah II. schnell auf die im Jänner aufkommenden Proteste. Tausende waren zuvor auf die Straßen gegangen und hatten gegen die Wirtschaftspolitik und hohe Lebenshaltungskosten protestiert. Er entließ Anfang Februar den Premierminister mit seinem Kabinett und installierte den beim Volk beliebten Marouf Bakhit, der bereits von 2005 bis 2007 Premierminister war - damals fiel er nicht gerade als reformfreudig auf.

Der König beauftragte Bakhit mit "wahrhaftigen politischen Reformen", die "praktisch, schnell und konkret" durchgeführt werden sollten. Auch Oppositionspolitiker gehören seither dem Kabinett an.

Pro-Abdullah-Demonstranten halten Poster ihres Königs hoch.

Die Proteste gingen aber weiter, Ende März gründete sich die "Bewegung des 24. März". Die Proteste schwappten erneut auf, Menschen kamen bei Demonstrationen ums Leben - der Reformdialog galt als gescheitert. Mitte Juni kündigte König Abdullah II. nun an, künftig das Kabinett wählen zu lassen. Er sprach auch von weiteren Reformen, die er durchsetzen wolle.

Seit dem Tod seines Vaters Hussein ist 1999 Abdullah II. König. Von den 120 Abgeordneten des Parlaments wird nur die Hälfte gewählt, 60 werden vom König ernannt.


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Bashar al-Assad, Präsident von Syrien, zeigte sich Ende Jänner unbeeindruckt von etwaigen Revolutionsbestrebungen in seinem Land. Er gab sich in einem Interview mit dem Wall Street Journal aufgeschlossen für Reformen. Seither hat sich das geändert.

Blutig wie in Libyen werden Proteste niedergeschlagen. 1500 Menschen sind seit Beginn der Proteste ums Leben gekommen. Trotz massiver Drohungen des Regimes gehen immer wieder Tausende auf die Straße. Bisher sind rund 10.000 Syrer in die Türkei geflohen. Der UNO-Sicherheitsrat einigte sich bisher nicht auf eine Resolution, die Assads Vorgehen gegen die Opposition scharf verurteilt. Widerstand kommt vor allem aus Russland und China.

Assad lässt sogar Scharfschützen auf unbewaffnete Demonstranten schießen. Im Grenzdorf Jisr al-Shughour marschierte die Armee ein, was fast alle Einwohner zur Flucht in die benachbarte Türkei veranlasste. Als "Hauptstadt des Protests" gilt nun Hama, wo in schauriger Regelmäßigkeit Protestierende getötet werden.

Ein Syrer, der in Jordanien lebt, protestiert gegen Präsident Assad.

Die Regierung veranlasste einen "Nationalen Dialog", um das Land zu reformieren. Dieser "Dialog-Kommission" obliegt es, Verfassungsänderungen vorzubereiten. Nicht zur Debatte steht jedoch der Artikel, welcher der Baath-Partei von Assad die Führungsrolle im Baath zuschreibt. Im Volksrat (dem Parlament) verfügt die Baath-Partei über die Verfassungsmehrheit.

In der Baath-Partei hat die Armee mit ihren verschiedenen Geheimdiensten ein eindeutiges Übergewicht gegenüber dem zivilen Flügel. Das Offizierskorps, in dem die Minderheiten - wie die Alawiten, zu denen die Präsidentenfamilie gehört, aber auch die Christen - gegenüber der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung stark überrepräsentiert sind, bildet eine herausragende Kaste, nicht nur wegen ihres dominierenden politischen Einflusses, sondern vor allem auch durch ihre zahlreichen Privilegien auf dem zivilen Sektor.

Das Regime bedient sich medialer Propaganda, seit beinahe alle Korrespondenten internationaler Medien ausgewiesen wurden. Unabhängige Berichte gibt es nur wenige. Vor allem Menschenrechtsorganisationen bedienen deshalb die internationale Gemeinschaft und die Medien mit Informationen, die nur in den wenigsten Fällen überprüft werden können. Handyvideos dokumentieren die Vorgänge im Land jedoch nur unzureichend.

Als 2000 Präsident Hafis al-Assad nach fast 30 Jahren im Amt starb, setzte sich dessen Sohn Baschar an die Staatsspitze. Der Herrscher stützt sich auf die allmächtige Baath-Partei und das Militär. Seit 1963 herrscht in Syrien der Ausnahmezustand, ein Polizeistaat unterdrückt jede legale Opposition.


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Präsident Ali Abdullah Saleh befindet sich derzeit nicht im Jemen, sondern in Saudi-Arabien - der seit 32 Jahren herrschende Staatschef Ali Abdullah Saleh erholt sich dort von den Folgen eines Attentats am 2. Juni und kündigte seine baldige Rückkehr an. Die zerstrittene Opposition könnte das erleichtern. Seit Salehs Abwesenheit hat sein Stellvertreter Abd Rabbo Mansour Hadi die politische Führung übernommen. Die Demonstranten fordern von ihm die Bildung eines Übergangsrats zur Machtübergabe.

Wohin driftet der Jemen, wenn Saleh zurücktritt?

Einige Oppositionelle wären sogar bereit, Saleh bei einem Amtsverzicht Straffreiheit zuzusichern. Die Demonstranten, die im Jänner die Protestbewegung zu seinem Sturz ins Leben gerufen hatten, wollen Saleh dagegen wegen der Gewalt gegen die Opposition vor Gericht sehen. Bereits mehrfach kündigte Saleh seinen Rückzug an, unterzeichnete jedoch nie das vom Golfkooperationsrat ausgearbeitete und von den USA und der EU unterstützte Abkommen.

Bei den Protesten in den vergangenen fünf Monaten kamen mindestens 200 Menschen ums Leben. Zudem häuften sich in den vergangenen Wochen Attacken von Al Kaida-Kämpfern, bei denen dutzende Menschen starben. Sollte sich Saleh zurückziehen, wird befürchtet, dass die Al Kaida im Jemen an Macht gewinnen könnte.


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Die anfänglichen Proteste in Libyen haben sich zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg entwickelt. Seit einem Beschluss des UNO-Sicherheitsrates griff die NATO ein, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Immer wieder kommt es zu schweren Kämpfen zwischen Truppen des Machthabers Muammar al-Gaddafi und der Rebellen, deren "Hauptstadt der Proteste" Bengasi ist.

Bürgerkrieg statt Revolution.

Immer mehr Staaten erkennen nun als offizielle Vertretung Libyens den "Nationalen Übergangsrat" an, Gaddafi macht jedoch keine Anstände, zurückzutreten - mehrfach kündigte er an, Libyen nicht verlassen und "bis aufs Blut" kämpfen zu wollen.

Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi ist seit einem Putsch 1969 unumschränkter Alleinherrscher. Parteien sind verboten, Medien werden strikt kontrolliert. Kritik am politischen System ist Libyern nur im Ausland ohne Lebensgefahr möglich. Gaddafi antwortete mit roher Gewalt.


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In Saudi-Arabien konnte sich der Arabische Frühling nicht durchsetzen. Von Ende Januar bis in den März wurde demonstriert, Menschen wurde festgenommen, die Protestbewegung erreichte jedoch nie libysche, syrische, tunesische oder ägyptische Ausmaße. Im März entschlummerte sie sanft. König Abdullah verordnete nach seiner Rückkehr aus seinem mehrmonatigen Rehabaufenthalt ein Sozialpaket, im Großen und Ganzen bleibt das autoritäre Königreich jedoch reformresistent. So werden etwa Frauen, die Auto fahren wollen, weiterhin verfolgt.

Arabischer Frühling? Nicht in Saudi-Arabien.

Das Land griff sogar im Nachbarkönigreich Bahrain ein, um die dortigen Demonstrationen mit Panzern niederzuschlagen. Das Königreich Bahrain ist ein Verbündeter des Hauses Saud.


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Im Golfstaat Bahrain kamen Mitte Februar Proteste auf, die überwiegend von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit getragen wurden und sich gegen die sunnitischen Herrscher richteten. Mitte März entsandten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate nach einem Hilfegesuch der bahrainischen Führung Sicherheitskräfte, um dabei zu helfen, die Proteste in den Griff zu bekommen. Ein wegen der Proteste verhängter Ausnahmezustand wurde kürzlich wieder aufgehoben. Mittlerweile rücken die saudi-arabischen Truppen wieder ab. 

Das Monument am Perlenplatz in der Hauptstadt Manama wurde im März von bahrainischen Streitkräften zerstört, da die Protestbewegung es als Symbol für die Demokratiebewegung verwendete.

Ein "Nationaler Dialog" ist im Laufen, es gebe "keine Vorbedingungen und keine Obergrenzen", sagte Parlamentspräsident Khalifa Dhahrani. Ziel des Dialogs sei es, sich auf "gemeinsame Prinzipien für einen Neubeginn des Reformprozesses" zu einigen, sagte Dhahrani.


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Im Iran wurden die Proteste mit Waffengewalt erstickt. Die Führung stellte Oppositionsführer unter Hausarrest und ließ mit Tränengas und Schlagstöcken gegen Demonstranten vorgehen. Oppositionelle - darunter auch Blogger - sind als politische Gefangene inhaftiert.

Nichtsdestotrotz gärt es im Land. An der Führungsspitze tobt ein Machtkampf zwischen Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und dem religiösen Oberhaupt Ayatollah Khomenei.


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Auch Marokko ist ein Schauplatz des Arabischen Frühlings. Unter dem Druck der Demokratiebewegung veranstaltete König Mohammed VI. ein Verfassungsreferendum, welches angenommen wurde. Mohammed VI. gilt nun nicht mehr als "heilig", sondern nur noch "unantastbar". Er ist aber weiterhin Oberbefehlshaber der Armee, Chef der Justiz, des Rates für innere Sicherheit und "Führer aller Gläubigen". 

Ein Demonstrant auf einr Demonstration in Casablanca, eine Woche nach dem Verfassungsreferendum.

Die Demokratiebewegung lehnt das Referendum jedoch als zu wenig weitreichend ab und demonstriert weiter.

(red/APA)