Martin Gastinger...

Foto: ATV

... über Saufexzesse in Landdiscos: "Es ist nicht so, dass wir etwas erfinden, das es nicht gibt."

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Der tierliebe Brautwerber sucht Anhang: "Der Zuschauer kann gut abstrahieren, was Unterhaltung ist", sagt der ATV-Programmchef.

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STANDARD: Hat ATV-Eigentümer Herbert Kloiber schon "Schwer verliebt" gesehen?

Gastinger: Warum sollte er? Herr Piëch kontrolliert auch nicht jedes Handschuhfach in seinen Autos. Herbert Kloiber hat ein Management, das seinen Sender betreut, und ist, glaube ich, ganz zufrieden damit.

STANDARD: Es wäre interessant, was er sagt: Die Brautwerber werden auf schräge Art präsentiert. Darin könnten Kritiker Erniedrigung zum Gaudium der Massen sehen?

Gastinger: Ich verstehe die Frage nicht.

STANDARD: "Mollymodel" präsentiert ihr Dekolleté, der tierliebe Single sucht Anhang mit seinen Kuschelhunden: Werden da nicht Leute vorgeführt?

Gastinger: Ich glaube, dass der Zuschauer sehr gut abstrahieren kann, was Unterhaltung ist.

STANDARD: "Schockformate" werde es auf ATV nicht geben, versprachen Sie 2007. Knapp vier Jahre später gibt es mehr als je zuvor. Weil die Quote bringen?

Gastinger: "Schwer verliebt" ist doch kein Schockformat. Das ist pure Unterhaltung!

STANDARD: "Saturday Night Fever"?

Gastinger: Schauen Sie eigentlich fern?

STANDARD: Kann schon passieren.

Gastinger: Haben Sie schon Schwiegertochter gesucht gesehen, Dschungelshow und Bauer sucht Frau? Schwer verliebt ist dagegen harmlos.

STANDARD: Kann sein, aber Ihr Versprechen war: "Schockformate" werde es nicht geben.

Gastinger: Wo ist ein Schockformat, bitte?

STANDARD: In "Das Geschäft mit der Liebe" werden Frauen auf eine Art behandelt, die manche vielleicht schockierend finden könnten.

Gastinger: Das sind ganz normale Doku-Realitys und haben mit einem Schockformat überhaupt nichts zu tun. Wenn Leute dumme Sprüche von sich geben und Männer immer wieder scheitern, weil sie es nicht schaffen, mit Frauen zu flirten: Das ist pure Satire. Die meisten Frauen, die ich kenne, lachen darüber.

STANDARD: Weniger lustig klingt, dass an "Saturday Night Fever" beteiligte Produzenten Protagonisten mit Alkohol versorgen. Können Sie das ausschließen?

Gastinger: Ich kann das sehr wohl ausschließen. Der Sender zahlt den Protagonisten nichts, auch keine Getränke. Dass ein Discobesitzer die Leute einlädt, scheint mir verständlich, das habe ich auch schon gehört. Das kann ich nicht verhindern.

STANDARD: Aber der Sender ermuntert zum Saufen?

Gastinger: Auch da wundere ich mich über die Kritik. Ich glaube, dass die Journalisten keine Ahnung haben, was am Land los ist. Für Leute am Land ist das völlig normal, die finden daran gar nichts Besonderes. Nur der Städter rümpft die Nase und wundert sich, weil er noch nie in Timelkam oder in Asperhofen in einer Disco war.

STANDARD: Werden wir bei Gelegenheit nachholen. Die Frage ist, ob der Sender damit nicht eine prekäre Kultur vorantreibt?

Gastinger: Wir sehen, dass den Leuten diese Abbildung der Realität gut gefällt. Was wir sehen, ist, dass die Leute die Realität im Fernsehen gerne sehen. Es ist nicht so, dass wir etwas erfinden, das es nicht gibt.

STANDARD: "Die Fahnder" greifen gerne Ausländer auf. Werden da nicht Ressentiments aktualisiert?

Gastinger: Ich sehe das nicht so, denn wir haben genauso den Zwiebelbauern aus dem Burgenland, der Leute illegal beschäftigt, wir haben Taxifahrer - ausländische und österreichische. Selbst, wenn in einem Taxi mal ein Ausländer sitzt, ist dahinter meist ein Österreicher, der das Unternehmen führt.

STANDARD: Der ORF versucht sich neuerdings auch in Doku-Soaps. Ihr Kommentar zu "Der Laden läuft"?

Gastinger: Ich habe mich gefragt, was das bitte für ein Coaching ist, wenn man jemandem sagt: Euer Laden läuft nicht, malen wir zwei Wände aus, reißen eine raus, machen eine Eröffnungsparty mit Champagner, und das war's. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 9.2.2011)