Wien - Voest-General Franz Struzl ist sehr zufrieden. Europas profitabelster Stahl- und Verarbeitungskonzern hat im abgelaufenen Geschäftsjahr (per 31. März) nicht nur das zweitbeste Ergebnis in der Unternehmensgeschichte erwirtschaftet - auch die Voest-Aktie macht Freude, denn seit einer Woche steigt der Kurs wieder kontinuierlich an: auf 28,7 Euro am Freitagabend.

Ab 32,5 Euro wird es dann spannend. Denn das ist jene magische Schwelle, bei der im Vorjahr die Kapitalerhöhung durchgeführt wurde, an der sich überraschend auch die Staatsholding ÖIAG beteiligte.

Wunschdenken

Da die Voest laut dem am Freitag offiziell erteilten Privatisierungsauftrag in dieser Legislaturperiode zu hundert Prozent verkauft werden soll, läge eine baldige Abschichtung des 43,7-prozentigen ÖIAG-Anteils auf zumindest 25 Prozent nahe.

"Wir wurden über die konkreten ÖIAG-Pläne noch nicht informiert. Wir gehen aber davon aus, und das ist auch Wunschdenken, dass die ÖIAG bei dem wirklich stark steigenden Börsenkurs neun Prozent an österreichische Institutionelle, also Banken und Versicherungen, verkauft", sagt Struzl im Gespräch mit dem STANDARD.

Minorität verkaufen

Die verbleibende Sperrminorität könnte über ein bis zwei Börsengänge verkauft werden. "Dann hätte die Regierung Marktpreise erzielt, und wir könnten uns in Ruhe weiterentwickeln", so das Wunschszenario des obersten Voestlers. Er hält es dabei für durchaus möglich, dass die Voest den angepeilten Level noch dieses Jahr überspringen könnte. Weiterentwickeln heißt Milliardeninvestitionen, und zwar sowohl an den Standorten Linz und Donawitz als auch in den vier Sparten Stahl, Bahnsysteme, Motion (Automotive) und Profil.

Der Konzernumsatz, im abgelaufenen Geschäftsjahr auf rund 4,4 Milliarden Euro angewachsen, soll bis 2006 auf 5,5 Milliarden Euro ansteigen. Bis Jahresende sind keine weiteren Zukäufe geplant, die elf Akquisitionen der Vergangenheit wollen erst eingeschmolzen werden.

Investitionen in Linz

Investiert wird u. a. in Linz (neuer Hochofen) und in Donawitz, wo die Investition von 65 Millionen Euro in eine neue Walzstraße (als Ersatz für das alte Schienenwalzwerk) so gut wie fix ist. Damit sollte der Ausstoß von 400.000 Tonnen ab 2006 in zwei statt in drei Schichten möglich sein. Die endgültige Entscheidung soll Ende Mai fallen.

Bahnsysteme sind neben der wachsenden Autokarosserie-Sparte der große Hoffnungsträger der Stahlkocher. Der Umsatz wurde binnen zwei Jahren auf 1,3 Milliarden Euro fast verdoppelt.

Die Marktentwicklung klingt viel versprechend, denn die EU plant in den Erweiterungsländern im nächsten Jahrzehnt den Ausbau zehn neuer Bahnkorridore um 37 Milliarden Euro. "Da würden wir uns wünschen, gemeinsam mit der ÖBB in Zentral-und Osteuropa etwas zu machen", sagt Struzl. Eine gute Zusammenarbeit mit den Eisenbahnern gibt es bereits. Es ist dies das im Jahr 2000 gegründete Weichenbau-Joint-Venture Wörth in St. Pölten, an dem die Voest (VAE) 70 und die Bahn 30 Prozent hält. Dieser Prototyp sei durchaus ausbaufähig, meint der Voest-Chef, der die ÖBB-Bahnbaufachleute in den höchsten Tönen lobt. Die Eisenbahner scheinen nicht abgeneigt, die Pläne seien aber sehr langfristig angelegt.

Industrie stärker belastet

Wenig Freude haben die Voestler mit den Plänen der Regierung für die CO-Abgabe. "Ich schließe nicht aus, dass der Voestalpine daraus Belastungen von 30 bis 50 Millionen Euro entstehen", sagt Struzl zu den bis dato nur in Ansätzen bekannten Belastungsplänen.

Zusammen mit der Energiesteuer, die ebenfalls mit einigen Millionen zu Buche schlagen könnte, und den steigenden Deponiegebühren würde sich der Trend, die Industrie in Österreich immer mehr zu belasten, weiter verstärken. Von der versprochenen Entlastung bei den Lohnnebenkosten fehle allerdings jede Spur. "Wir werden natürlich nicht abwandern, aber unsere Herstellungskosten steigen gegenüber den Mitbewerbern", mahnt Struzl. "Wir sind skeptisch, ob dieser Weg der richtige für den Wirtschaftsstandort Österreich ist." (Luise Ungerböck, DER STANDARD Print-Ausgabe, 12.5.2003)