In jeder Talkshow wäre er Stargast, in jedem Revolverblatt der Held - würde er heute leben. Eine Oper von Berlioz huldigt ihn jedenfalls. Die wilde Vita des Renaissancekünstlers Benvenuto Cellini gibt Stoff für Seifenopern en masse: Mord, Intrige, Krieg, Genie und Wahnsinn, Neid - und alles im Verband mit scheinheiligen Kirchenvätern und korrupten Mächtigen.
"Klotzen, nicht Kleckern!", lautete die Devise des 1500 in Florenz geborenen und mit "schrecklichem Charakter" ausgestatteten Multitalents, das sich selbst als Zentrum der künstlerischen Welt sah, in der Konkurrenten dementsprechend Feinde - Lieblingswort: "Bestien" - waren. Mit einem Mord entledigte der als Goldschmied ausgebildete stadtbekannte Hooligan und Krieger sich eines Rivalen.
Protzig-übertrieben fällt die autobiografische Lebensgeschichte aus, welche übrigens Goethe entdeckt und übersetzt hatte. Das "Weltkind Cellini" galt ihm als ein "Anhaltepunkt der Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts".
Ruhmsüchtig führt Cellini darin, durchaus poetisch und wortgewandt, sein Geschlecht auf einen Offizier Julius Caesars zurück, der Florenz mitbegründet haben soll. Bei der Belagerung Roms will er den feindlichen Anführer durch einen Schuss getötet haben.
Cellini reüssierte als Bildhauer, Goldschmied, Gemmen- und Münzstempelschneider. Kardinäle, Könige und Päpste in Rom, Florenz, Neapel, Mantua, Venedig und Frankreich beauftragten ihn. Mit ihnen zerstritt er sich laufend, aber von einem der andern Regenten oder Kirchenväter wurde er immer wieder aufgenommen und protegiert.
Nach Cellinis Mord landete er trotz Intervention der Medici im Kerker, Papst Paul III. holte ihn wieder heraus. Fälschlich beschuldigte man ihn des Raubs von Edelsteinen aus päpstlichem Besitz; ohne Schuldbeweise inhaftierte man Cellini in der Engelsburg, woraus ihm eine spektakuläre Flucht gelang. Aus der neuerlichen Haft befreite ihn ein Gesandter Franz I. von Frankreich und Kardinal Ippolito d'Este, welcher die - nun gestohlene - als "Salzfass Franz I." überlieferte Goldskulptur 1539 in Auftrag gab. 1570 kam sie als Geschenk Karls IX. an den Erzherzog Ferdinand und folglich ins KHM in Wien.
Cellinis eklektischer Stil leitet sich von seinem großen Vorbild Michelangelo ab. In Florenz, in nächster Nähe von Michelangelos "David", steht das wohl berühmteste Werk des 1571 verstorbenen Kunsthaudegens, "Perseus mit dem Haupt der Medusa", in einem Torbogen der Loggia dei Lanzi.
Aufgrund der turbulenten Vita ist fast anzunehmen, dass Cellinis Sympathien eher dem kühnen Kunsträuber seiner "Saliera" gelten würden als dem Museum. Leider kann man den Künstler dazu nicht mehr exklusiv interviewen. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.5.2003)