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Grafik: APA

Die Wiener Börse kratzt erstmals seit 2008 wieder an der 3000-Punkte-Marke. Nicht alle Börsianer sind aber in Euphorie. Vor allem die Direktbanken leiden unter der neuen Wertpapier-KESt. Ihre Umsätze sind gesunken.

Wien – Mit gemischten Gefühlen wird derzeit die Entwicklung an der Wiener Börse verfolgt. Viele Anleger haben sich noch im Dezember mit Aktien eingedeckt, um der seit 1. Jänner gültigen Wertpapier-KESt zu entkommen. Im Jänner wurde dafür deutlich weniger umgesetzt, Einbußen verzeichneten vor allem Online-Banken, zeigt ein Rundruf des STANDARD.

Der ATX hat im Dezember von der größeren Nachfrage profitiert (s. Grafik). Nach einer Verschnaufpause im Jänner wurde am Mittwoch erstmals seit 2008 wieder die 3000-Punkte-Marke überschritten.

Wie berichtet fällt seit heuer auf alle Wertpapier-Geschäfte eine 25-prozentige Kapitalertragsteuer an. Eingehoben wird sie von den Banken allerdings erst ab 1. Oktober. Bisher waren Aktiengeschäfte dann steuerfrei, wenn das Papier länger als ein Jahr behalten wurde. Und: Die Steuer musste vom Anleger abgeführt werden, was laut Experten in den seltensten Fällen passiert ist.

"Hammer kommt im Herbst"

Längerfristige Auswirkungen sind noch schwer abzuschätzen. Denn: Zwei Drittel des Umsatzes an der Wiener Börse stammen ohnehin von ausländischen Investoren. Im Jänner betrug das Umsatzvolumen laut Börse Wien 5,6 Milliarden Euro – um 800 Millionen Euro weniger als im Jänner 2010. Im Dezember wurden 7,06 Mrd. Euro umgesetzt. Größere Schwankungen sind an der Börse aber nicht unüblich. Auch die Börsen in Prag, Laibach und Budapest hatten einen schwachen Jänner.

Deutlich gespürt hat die neue Steuer Direktanlage.at, wie Vorstandschef Ernst Huber erklärt. Im Vergleich zu deutschen Brokern müsse man derzeit Einbußen von 20 Prozent verzeichnen. Seine Prognose: "Der wirkliche Hammer kommt erst im Herbst, wenn wir die KESt tatsächlich abziehen müssen."

Von deutlichen Vorzieheffekten im Dezember berichtet man auch bei der Easybank. Der Umsatz sei zum Jahresende um 30 Prozent höher gewesen als üblich, heißt es. Ähnliches berichtet auch Heinz Bednar, Geschäftsführer der Erste Sparinvest. Er ist sich aber nicht sicher, welchen Effekt die neue Steuer hat. Schließlich sei die Börse im Dezember sehr gut gelaufen, was auch für die Kauffreude verantwortlich sein könne. Mathias Bauer, Chef von Raiffeisen Capital Management, sieht im Fondsgeschäft "keine Auswirkungen".

Für Panik bei den Kunden dürfte die Wertpapier-KESt nicht gesorgt haben. Zwar berichtet man bei Direktanlage.at von "frustrierten" und "verunsicherten" Anrufern, ansonsten hielt sich der Unmut aber offenbar in Grenzen. "Die Anfragen waren eher gering", heißt es bei Raiffeisen. "Wir haben mit mehr gerechnet", sagt man auch bei der Easybank. "Offenbar waren die Kunden schon sehr gut informiert."

Dass die Anleger ihr Geld nun anders investieren als vor dem Jahreswechsel, kann man derzeit noch nicht wirklich beobachten.

Die Versicherungen erkennen zwar eine stärkere Nachfrage nach fondsgebundenen Lebensversicherungen – diese sind von der neuen Steuer nämlich ausgenommen. In Zahlen ausdrücken will das aber noch kein Institut.

Die Anfrage nach fondsgebundenen Polizzen steige zwar, in den tatsächlichen Abschlüssen sei das aber noch nicht wirklich messbar, heißt es etwa aus der Vienna Insurance Group. Vielmehr sei man mit Anfragen von Kunden beschäftigt, die bereits solch eine Versicherung haben und nun wegen der Steuerdebatte verunsichert seien.

Von "spürbaren Steigerungen" spricht auch die Helvetia Versicherung. Um Zahlen zu nennen, sei es aber noch zu früh, sagt die Sprecherin der Österreich-Tochter des Schweizer Instituts.

Die große Flucht ins Ausland hat offenbar auch nicht eingesetzt. Lediglich einige wenige Private-Banking-Kunden hätten ihre Depots ins Ausland transferiert, heißt es in der Branche. Ein Grund dafür: Auch das Finanzstrafrecht wurde mit Jahresbeginn verschärft. (Günther Oswald, Bettina Pfluger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.2.2011)