Schaftenau/Washington - In den USA wird Todeskandidaten laut Recherchen der ZiB 2 seit vergangenem Oktober vor der Hinrichtung ein Narkosemittel verabreicht, das von dem Pharmaunternehmen Sandoz im Tiroler Schaftenau hergestellt worden ist.

525 Gramm Thiopental seien im Herbst 2010 um umgerechnet 27.560 Euro an die US-Justizbehörden geliefert worden, hieß es in dem Bericht. Die Menge reiche aus, um 100 Personen vor der Hinrichtung zu betäuben, sodass sie die Wirkung einer zweiten Spritze mit einem Atem- und Herzlähmungsmittel nicht mehr spüren.

Großhändler Archimedes verantwortlich

Der Thiopental-Verkauf soll über den britischen Pharma-Großhändler Archimedes abgewickelt worden sein, laut ZiB 2 liegen entsprechende Unterlagen vor. Bei Archimedes seien die US-Justizbehörden vergangenes Jahr fündig geworden, nachdem der einzige Thiopental-Hersteller in den USA die Produktion beendet hatte. Auf das Geschäft angesprochen, habe Sandoz entgegnet, es sei unmöglich, über die Geschäfte sämtlicher Zwischen- und Großhändler informiert zu sein. Dass es sich bei der in die USA gelieferten Thiopental-Charge um ein Produkt aus Schaftenau handle, wurde von der Firma nicht bestätigt.

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) meinte in einer ersten Reaktion, eine missbräuchliche Verwendung des Narkosemittels müsse vom Hersteller ausgeschlossen werden. Ein Thiopental-Exportverbot, wie es zum Beispiel in Italien existiert, sei in Österreich aber "rechtlich nicht möglich".

In Italien wird Thiopental derzeit in einem Betrieb nahe Mailands hergestellt. Im Dezember 2010 war das italienische Ausfuhrverbot auf Betreiben mehrerer Parteien durchgesetzt worden. In Großbritannien muss seit vergangenem Dezember bei einer Ausfuhr nachgewiesen werden, dass das Mittel nur für medizinische Zwecke eingesetzt wird.

Tiroler Sandoz verteidigt Herstellung

Die zum Schweizer Novartis-Konzern gehörende "Sandoz GmbH" im Tiroler Kundl hat am Donnerstag die Herstellung des Narkosemittels "Thiopental" verteidigt. Es handle sich um ein von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "essential drug" klassifiziertes Arzneimittel. Alle Niederlassungen mit einer lokal zugelassenen Vermarktungserlaubnis für Sodium Thiopental seien angewiesen, das Produkt nicht in die USA zu exportieren oder zu verkaufen, hieß es in der Stellungnahme.

Das Mittel werde auch nicht an Großhändler oder Drittkunden ausgeliefert, die es wiederum an die USA verkaufen könnten, hieß es in der Stellungnahme des Unternehmens. Sandoz vermarkte injizierbares Thiopental in 50 Ländern weltweit, allerdings nicht in den USA und in Großbritannien.

Über Drittfirma an Archimedes weitergegeben

Produziert werde injizierbares Thiopental unter anderem im Auftrag einer Drittfirma, die ihren Sitz in Großbritannien habe und das Produkt wiederum direkt an Archimedes Pharma verkauft. Archimedes Pharma sei kein direkter Kunde von Sandoz und alleinig für die Vermarktung und die kommerzielle Auslieferung unter der entsprechenden Vermarktungserlaubnis in Großbritannien verantwortlich. Dementsprechend gebe es keine vertragliche Vereinbarung zwischen Sandoz und Archimedes Pharma. Es sei nicht möglich, die Lieferketten von Firmen, die keine direkten Sandoz-Kunden seien, zu überwachen.

Auf Nachfrage des Standard, ob die Firma dezidiert ausschließen könne, dass ihr Produkt in die USA gelangt sei, hieß es, man könne "weder bestätigen noch ausschließen, ob es sich bei jenem Produkt, das in den USA zu Hinrichtungszwecken verwendet wird tatsächlich um das von Sandoz hergestellte Thiopental handelt. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2011/ergänzt durch APA)

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