London - Die Angelegenheit ist der Führung der Osteuropabank äußerst unangenehm, nun hofft man auf Schadensbegrenzung: Seit die russische Direktorin des auf Investitionen und Kredite in Osteuropa spezialisierten Instituts (offiziell EBRD; European Bank for Reconstruction and Development) und vier ihrer Mitarbeiter wegen Korruptionsvorwürfen entlassen wurden, werden die Projekte der letzten Jahre auf Unregelmäßigkeiten durchleuchtet. "Interne und externe Prüfer haben bisher nichts gefunden", sagt der Sprecher der EBRD, Axel Reiserer.

In russischen Medienberichten ist dagegen von erschlichenen Krediten die Rede. Die gefeuerte Exdirektorin Jelena Kotova wird zudem von einem anonymen russischen Kreditnehmer beschuldigt, eine Million Dollar für eine Ausleihung verlangt zu haben. Allerdings dürfte das Projekt nicht zustande gekommen sein, meint der Sprecher. Somit sei der Bank auch kein Schaden entstanden. Das ändere freilich nichts daran, dass die Bank ihre internen Compliance-Richtlinien evaluiere.

Im konkreten Fall hätten die Alarmglocken schon früher läuten können, meinen Insider. Kotova habe sich im Unterschied zur gängigen Praxis in Kreditentscheidungen persönlich eingemischt. Usus ist, dass die von den Mitgliedsstaaten der Bank bestellten Direktoren Einzelgeschäfte ähnlich einem Aufsichtsrat lediglich genehmigen oder ablehnen.

Neben den bankinternen Untersuchungen laufen die strafrechtlichen Ermittlungen zwischen London und Moskau. Neben dem Korruptionsverdacht gehen die Behörden auch Geldwäsche-Indizien nach. Kotova werden umfangreiche Immobilien-Investments u. a. in Großbritannien und Russland nachgesagt. Inwieweit dabei illegale Machenschaften im Spiel sein könnten, darüber geben die Ermittler keine Auskünfte. Die EBRD betont jedenfalls, dass sie mit den Behörden voll kooperiere. Der Diplomatenstatus der Russin wurde von der Bank aberkannt - ein einmaliger Vorgang in der 20-jährigen Geschichte des Instituts. Zudem wurde eine Mitarbeiterin von den britischen Behörden festgenommen und gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.

Mit Spannung wird eine möglich Anklage in Russland erwartet. In der Osteuropabank heißt es, Moskau habe die Vorfälle mit Nachdruck verfolgt. Für das Ansehen des mit ständigen Korruptionsvorwürfen kämpfenden Landes wäre eine Vertuschung der Affäre fatal, meinen Beobachter. Auch für die EBRD steht viel auf dem Spiel, ist Russland doch mit mehr als zwei Mrd. Euro jährlich größter Kreditnehmer der Bank. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2011)