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Schwerstarbeit im Steinbruch von Mauthausen.

Foto: AP/Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie, courtesy USHMM

Linz - Mit rund 800 bis 1.000 Kalorien pro Tag mussten KZ-Häftlinge in der NS-Zeit über die Runden kommen. Gemessen an der schweren Arbeit, die ihnen abverlangt wurde, wären 4.200 bis 4.400 für Männer und 3.200 bis 3.300 Kalorien für Frauen nötig gewesen. Das zeigt das Buch "Sehnsucht Brot" der Ernährungswissenschafterin und Historikerin Christine Stahl auf, das am 28. Februar in Linz vorgestellt wird.

Die Autorin nahm anhand von Schilderungen zahlreicher Zeitzeugen die Speisepläne im KZ Mauthausen und seinen Nebenlagern unter die Lupe. Dabei trat eine riesige Kluft zwischen Theorie und Praxis zutage: Während beispielsweise ein Dokument aus Berlin 1943 für die "richtige und zweckentsprechende" Häftlingsernährung Empfehlungen gibt wie "warme Speisen nicht totkochen", "genügende Pausen nach dem Essensempfang", "Brot wenn möglich aus Vollkorn" oder die Verwendung von vitaminreicher Rohkost, sah die Wirklichkeit für die Betroffenen komplett anders aus.

Dünne Suppe und unverdauliches Brot

Meist bekamen die Gefangenen demnach eine dünne Suppe aus Rüben, Blattgemüse, Kartoffeln oder Kartoffelschalen. Häufig fanden sich auch Rapsblüten und Gras darin. Das Brot wurde ebenfalls mit unverdaulichen Beimengungen wie Rosskastanien- oder Sägemehl und sogar Gips gestreckt. Oft war es verfault oder verschimmelt. Fett und tierisches Eiweiß fehlten beinahe völlig, pflanzliches gab es in viel zu geringen Mengen. Der Eiweißbedarf eines gesunden Erwachsenen liege bei 0,8 Gramm pro Tag und Kilo Körpergewicht, rechnet Stahl vor. Die Häftlinge bekamen aber insgesamt maximal 27 Gramm, oft auch weniger.

Häufig enthielt das Essen Sand, Steinchen oder anderen Schmutz. Durch die breiartige Konsistenz wurde kaum mehr gekaut, und man hatte auch nicht mehr das Gefühl, wirklich etwas zu essen. Die Häftlinge entwickelten regelrechte Rituale, um die wenigen Krümel Brot gerecht untereinander aufzuteilen. Auf der Suche nach Extrakalorien aßen viele "Wurzeln, Gras, Blätterknospen, Eicheln, Ratten, Katzen, Hunde, Maulwürfe, Eidechsen, Kröten, Schnecken, Abfälle, Erde und Braunkohle", wie ein Überlebender schilderte. Oft wurde der Tod eines Barackengenossen verschwiegen, um dessen Essensration zu bekommen. Viele begannen aber auch, sich gegenseitig zu bestehlen.

Hungerregime mit Methode

Hinter dem Hunger-Regime in den Lagern steckte Methode: Indem man den Menschen Essbesteck vorenthielt, gab man ihnen das Gefühl, Tiere zu sein. Die Nazis versuchten auch, Hunger als Ansporn zu verwenden. Dieses Konzept erlitt aber Schiffbruch. Die bereits ausgemergelten Häftlinge brachten für höhere Rationen nur kurzzeitig mehr Leistung und fielen dann durch die lange Zeit der Mangelernährung komplett aus. Als die Lager befreit wurden, bekamen die Überlebenden als erstes zu essen, man gab ihnen oft Reis, Fleisch und Fett. Das war für viele aber das Todesurteil. Ihre ausgehungerten Körper konnten richtige Mahlzeiten nicht mehr verarbeiten - und sie starben in den Armen ihrer Retter. (APA)