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Emin Sulimani, Steffen Hofmann, David Mendes und Christopher Trimmel (v.l.) - sie alle haben Erfahrungen mit einer Schambeinentzündung

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Christopher Trimmel hofft auf eine baldige Genesung

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Wien - "Das musst du jetzt haben, bald hat das jeder." - Was unter Trendsettern ein durchaus gut gemeinter Ratschlag sein kann, würden Christopher Trimmel, Emin Sulimani, Florian Metz oder David Mendes da Silva wohl im Bezug auf ihre Verletzung als recht makaberen Scherz empfinden. Trotzdem scheint es, als würde der Spruch irgendwie auf die Schambeinentzündung zutreffen. Oft wird von der so genannten "Modeverletzung" gesprochen, die immer mehr Fußballspieler betrifft. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dieser Verletzung - die auch Steffen Hofmann und Jürgen Säumel lange Zeit auf Standby gesetzt hat - und ist sie wirklich eine aktuell anwachsende Problematik?

Die Diagnose Schambeinentzündung bedeutet lediglich, dass bei einer Untersuchung Wasser im Knochen festgestellt wurde. Das könnte man - aktuell wie in der Vergangenheit - bei zahlreichen Fußballspielern diagnostizieren, heißt aber noch lange nicht, dass diese dadurch automatisch Beschwerden haben, wie der Berliner Spezialist Dr. Jens Krüger im Gespräch mit derStandard.at erklärt: "Würde man bei der gesamten österreichischen Nationalmannschaft ein MRT durchführen, könnte man vermutlich nach intensiver Belastung bei weiteren Spielern eine Schambeinentzündung feststellen, ohne dass sie momentan überhaupt irgendetwas davon spüren."

Bereits vor fünf Jahren publizierte eine Arbeitsgruppe um Dr. Greg Lovell, einem australischen Sportmediziner, Untersuchungen zur Problematik einer belastungsabhängigen Reaktion des Schambeins bei Fußballern - so viel zur aktuellen "Mode".

Das "Schambein der Nation"

Schambeinentzündung, besonders Rapid-Fans zucken bei diesem Wort reflexartig zusammen. Lange war unklar, wann Kapitän Steffen Hofmann wieder auf dem Platz stehen wird. In diesem Zusammenhang wurde gar vom "Schambein der Nation" gesprochen. Und Hofmann selbst hätte sein Schambein wohl nicht nur aufgrund der persönlichen Intimität gern von der Öffentlichkeit ferngehalten, stand doch laut Trainer Peter Pacult sogar seine Karriere auf dem Spiel.

Die oben genannten Profis müssen mitunter lange Pausen einlegen, während andere ebenfalls eine Schambeinentzündung haben und sich dessen noch nicht einmal bewusst sind. Sind Hofmann und Co einfach Mimosen? Nein, denn eine Schambeinentzündung ist oft ein Indikator dafür, dass etwas nicht stimmt.

Treten dann bestimmte Begleitpathologien auf - wie eine Überbelastung der Adduktoren, Leistenprobleme oder muskuläre Dysbalancen - kommt es zu den Beschwerden. Vereinfacht wird dann von einem "Ausfall aufgrund einer Schambeinentzündung" gesprochen. Die (konkrete) Schambeinentzündung an sich gibt es jedoch nicht, viel mehr gibt es eine Vielzahl von Erkrankungen, die parallel zu dieser auftreten. Diese müssen behandelt werden, wenn sich die Entzündung zurückbilden soll.

Frühzeitige Untersuchung durch einen Spezialisten

Richtig ist allerdings, dass die Probleme überdurchschnittlich häufig bei Fußballspielern auftreten. Dass dies möglicherweise mit falschen Entwicklungen am Schuhmarkt zu tun hat, will Krüger aber nicht bestätigen. "Wir erheben bei unseren Patienten mit einer symptomatischen Schambeinenzündung diese Schuhgeschichte seit Jahren, aber konkretes lässt sich daraus nicht ableiten, das ist rein spekulativ", erklärt er, "Es hat mit Sicherheit sportspezifische Ursachen wie Trainingsintensität, Rasenqualität oder Spielerposition. Da können auch die Schuhe eine Rolle spielen, was die genaue Ursache ist, lässt sich jedoch nicht sagen. Hinzu kommt noch die persönliche Geschichte des Spielers, insbesondere seine anatomischen Besonderheiten".

Die langen Ausfallzeiten zeigen, dass man das Ganze keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen sollte. Besonders wenn die Schmerzen nach Belastung anhalten, ist es wenig sinnvoll wochenlang weiterzumachen. Im Kampf um Punkte und das berühmte "Stammleiberl" beißen jedoch viele Profis lange auf die Zähne, oft auch zu lange. Krüger empfiehlt den frühzeitigen Gang zu einem Spezialisten: "Ein Sportler mit chronischen Adduktoren- oder Leistenproblemen, sollte sich einen Arzt suchen, der sich darauf spezialisiert hat. So eine Diagnose stellt man auch nicht in zwei Minuten. Macht das jemand, sollte man den Arzt wechseln."

"Ich habe es einfach verdrängt."

Lange auf die Zähne gebissen hat auch Emin Sulimani. Während Hofmann zum Frühjahrsauftakt sein Comeback gegeben hat, kämpft Sulimani weiter um seine Rückkehr. Auch er laboriert an einer "Schambeinentzündung". Ein erstes Zwicken spürte der damals noch für Austria Wien tätige Mittelfeldspieler bereits im April 2010. Sulimani ignorierte die Beschwerden und spielte weiter. Im Vertrauen darauf, dass es sich um übliche kleine Schmerzen handelt, die ein Profisportler eben von Zeit zu Zeit spürt.

Doch anstatt abzuklingen wurden die Schmerzen immer größer, bis es irgendwann nicht mehr ging. Im Oktober schien die Verletzung im Griff - doch nach nur vier Spielen für seinen neuen Arbeitgeber LASK Linz waren die Schmerzen wieder zu groß. Im Nachhinein betrachtet waren die Spiele, bei denen er auf die Zähne gebissen, hat auch für Sulimani ein Riesenfehler. "Ich hab es einfach verdrängt. Als Fußballer hat man eben öfters leichte Blessuren und kleinere Schmerzen. Man weiß ja im vornherein nicht, dass es sich um eine Schambeinentzündung handelt. Aber gerade bei dieser Verletzung ist das fatal", erklärte der 24-Jährige.

Tatsächliche Ursachen - richtige Behandlung

Seit rund einem Monat geht es für Sulimani wieder aufwärts. Durch ein spezielles Aufbautraining der Rumpf-und Bauchmuskulatur sieht er endlich Fortschritte. Spritzentherapie und Besuche bei einem Osteopathen hatten bei ihm nichts bewirkt.

Um die Verletzung von Beginn an richtig zu behandeln, ist es wichtig, dass der Betroffene konkret untersucht wird. Laut Krüger liegt ein Problem darin, dass die Entzündung an sich schon als Krankheitsbild genommen wird. "Ich sehe das häufig, Leute kommen in die Praxis und hatten beispielsweise noch nie ein Ultraschall von der Leiste, oder eine Röntgenuntersuchung der Hüftgelenke. Die Patienten hatten Adduktorenprobleme, wurden durch das MRT geschoben und man diagnostizierte eine Schambeinentzündung - Oftmals wird dann gesagt ‚dagegen können wir nichts machen.‘ So läuft es im Regelfall." Vielmehr sollte der behandelnde Arzt seiner Meinung nach, die tatsächlichen Ursachen für diese komplexe Verletzung suchen.

Neben dem faktisch falschen Wortlaut, dürften auch die Komplexität und die teilweise schweren Beschwerden der Betroffenen ein Grund sein, warum Krüger von dem so angesagt klingenden Wort "Modeverletzung" recht wenig begeistert ist. Denn dieser Ausdruck ist genauso falsch wie unangebracht. Eine Schambeinentzündung liegt weder aktuell besonders im Trend, noch ist sie ein konkretes Krankheitsbild. Einzig die Wahrnehmung und Darstellung in der Öffentlichkeit hat sich verändert. (Matthias Köb, derStandard.at, 24. Februar 2011)