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Das Symbolbild des Grauens: Dunkle Wolken hängen über der Welt des Sports

Foto: AP/Riedel

Der Generaldirektor der Welt Anti-Doping-Agentur (WADA) David Howman rief am Mittwoch am Rande des EU Sport Forums in Budapest dazu auf, eine Weltorganisation gegen das organisierte Verbrechen im Sport zu gründen.

"Wenn das Engagement der kriminelle Unterwelt nicht gebremst wird, gefährdet es die Zukunft des modernen Sports", sagte Howman in einem Statement. "Dieselben Leute die in den Handel mit Steroiden verstrickt sind und Athleten zum Doping treiben sind in den illegalen Wettmarkt verstrickt". Es gehe dabei im Wesentlichen um „Geldwäsche, Erpressung und Korruption im Zusammenhang mit Sportmanipulationen."

Howman schlug vor die WADA und zwei neu zu schaffende, ähnliche Organisationen (eine für Wettregulierung und eine gegen Korruption) unter dem Dach einer Agentur zu vereinen, um neben dem Doping auch Sportbetrug in den Griff bekommen zu können. Sportverbände allein hätten nicht die Mittel, rechtlichen Möglichkeiten und Erfahrung um diese Dinge zu bekämpfen. Sie bräuchten die Unterstützung der legalen Wettindustrie und der Regierungen. Der Erfolg der WADA lege nahe, dass man das Rad gegen diese ähnlichen Probleme nicht neu erfinden müsse.

Klug und gefährlich

Declan Hill kennt die Drahtzieher des internationalen Wettbetrugs. Er hatte sie für die Recherchen für sein 2008 erschienenes Buch "The Fix: Soccer and Organized Crime" einst in einem schäbigen Hinterzimmer in Südostasien getroffen. "Furchteinflößend" aber auch "extrem clever" seien die Leute, die den Sport bis hin zu Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft manipulieren, meinte der kanadische Journalist. Wer diese Drahtzieher sind, verrät er in seinem Buch nicht. Einerseits aus journalistischen Gründen, andererseits auch weil man bei solchen Recherchen "das eigene Leben in die Hand nimmt".

Die Hinterzimmer, in denen Hill über all dies sprach, waren Anfang dieser Woche alles andere als schäbig. Der Oxford-Professor stand vor einer kleinen Abordnung von Journalisten aus Europa in den luxuriösen Räumen des Fünf-Sterne-Hotels "Corinthia" in Budapest. Während in den großen Räumen nebenan Vertreter von Politik und Sport über die breit gefächerte Zukunft der EU-Sportpolitik sprachen, war im von Hill moderierten Journalistenseminar "Matchfixing" das heißeste Thema.

Das Problem betrifft zwar so gut wie alle Sportarten auf die man wetten kann, wurde aber immer wieder am Beispiel des Fußballs aufgehängt. Dabei sind im Prinzip keine Spiele davor gefeit, manipuliert zu werden. Während in großen, lukrativen Ligen die Gefahr aber geringer ist, weil die meisten Gehälter so gut sind, dass Bestechung wenig Sinn ergibt, könnten Aktive aus kleineren Ligen leicht anvisiert werden.

Bildung und Aufklärung

Darauf wies auch Matyas Esterhazy hin. Der 23-jährige Abkömmling der einstigen ungarischen Adelsfamilie spielt als Tormann in der zweiten Liga. "Spielmanipulationen sind heute ein riesiges Problem", meinte der siebenfache Nachwuchs-Nationalspieler und theoretische Graf. Spieler seiner Art seien meist sehr schlecht abgesichert, könnten sich keiner abgesicherten Zukunft sicher sein. Er selbst könne zwar niemals akzeptieren, aber nachvollziehen, dass Spieler von einem lukrativen Angebot gelockt werden. Esterhazy betonte den Wert von Bildungsmaßnahmen für Jungsportler und Absicherungen für verletzte Profisportler. Er selbst studiere nebenbei, und wer eine Perspektive habe, wenn die Sportkarriere ende, würde auch das Risiko des Betrugs eher meiden.

Simon Taylor (EU Athletes) ergänzte diese berufliche um eine ganz pragmatische Dimension der Aufklärung. Betroffene müssten auch wissen, an wen sie sich vertraulich wenden können, wenn sie von dubiosen Figuren kontaktiert werden. Betfair-Mitgründer Mark Davies möchte den Beteiligten auch die Konsequenzen klar machen: "Wenn der Sport jene aufklärt, die unter seine Rechtssprechung fallen, über die Regeln, die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden und die möglichen Strafen dafür, würde die Versuchung merkbar reduziert, den Weg der Korruption zu gehen."

Declan Hill wies in der Debatte darauf hin, dass man damit aber auch Gefahr laufe, Täter dafür auszubilden, das System zu umgehen - zumindest solange eine zum Problem passende Exekutive fehle. Tatsächlich sei im Moment das Risiko, erwischt zu werden, objektiv betrachtet gering.

Untergrundproblem

Legale Wettanbieter schlagen bei Auffälligkeiten zwar Alarm, doch der große, illegale Wettmarkt kann kaum erfasst werden. Während ein Vertreter der Premier League in Budapest davon berichtete, dass man in England sogar bei Jugendspielen auf Probleme aufmerksam geworden sei, erfassen die weltweiten Monitor-Mechanismen aber im besten Fall einige hundert verdächtige Fälle jährlich.

Allein welch unterschiedliche Lösungsvorschläge es für diesen Problemaspekt gibt, zeigt seine ganze Komplexität. Vertreter der legalen Wettindustrie, wie Mark Davies , drängen auf eine Öffnung des Marktes für legale, überprüfbare Wettanbieter, um das illegale Angebot zurückzudrängen. Tjeerd Veenstra (Europäische Staatslotterien) wiederum bevorzugt eine strikte Regulierung des Wettmarktes. Beiden Vorschlägen scheint gemeinsam, dass sie nicht wirklich Antworten auf dubiose Wettvorgänge beispielsweise in Südostasien sind.

Aufwändige Ermittlungen und Bewusstseinsveränderung

Wenn die Systeme doch einmal greifen, sind die Ermittlungskosten ein weiterer Stolperstein. Einige große Sportverbände haben vielleicht die Ressourcen, aber nicht die Kompetenzen dazu. Die Polizei investiert etwa wegen Vorfällen rund um unterklassige Spielen nicht immer und überall gerne die vielen tausenden Arbeitsstunden in Ermittlungen, mutmaßte ein anwesender Journalist. Eine Antwort auf diese Zuständigkeit könnte die von David Howman angedachte Agentur für Integriät im weltweiten Sport ("WSIA") geben. Der WADA-Mann schlägt vor, sie über eine Regulierung der Wettmärkte und die in Ermittlungen sichergestellten Gelder zu finanzieren.

Bis es dazu kommt, hängt das Damoklesschwert des Betrugs über dem Sport. Den Rückgang des Zuseherinteresses in manchen Gegenden der Welt - etwa in China - führen manche bereits darauf zurück, dass das Manipulationsproblem dort überhand genommen hat. Es scheint als wäre diese Gefahr nun zumindest ins Bewusstsein der Verantwortlichen getreten.

Declan Hill schrieb vor kurzem: "Als ich 2005 auf einen Podium in Kopenhagen über die Gefahren von Korruption für den Sport sprach, was es ein sehr, sehr einsamer Kampf". Mittlerweile wurde er zumindest zum IOC nach Lausanne eingeladen, um im Geheimen einige Verantwortliche zu briefen. Er will sie von der Notwendigkeit einer Korruptions-WADA überzeugen. (Tom Schaffer aus Budapest, derStandard.at, 24.2.2011)