Neue Pflicht für Zuwanderer: Deutschkurs im Eiltempo.

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"Höhere Anforderungen, strengere Fristen, eingeschränkte Kostenentlastung": So fasst der Sprachwissenschaftler Hans-Jürgen Krumm die von der Regierung verschärfte Integrationsvereinbarung zusammen. Kern: Zuwanderer müssen rascher und besser Deutsch lernen, damit sie nach Österreich kommen und auch bleiben dürfen (siehe Wissen).

Notwendiger Ansporn oder fiese Schikane? Ursula Schallaböck vom staatlichen Integrationsfonds hält die Vorschriften für harmlos. So müssen Neozuwanderer in zwei statt bisher fünf Jahren Aufenthalt das Niveau A2 - Lektüre einfacher Texte, routinemäßige Verständigung - erreichen. "Das schafft jeder in einem halben Jahr", meint Schallaböck.

Experten widersprechen vehement. "Das mag für Menschen mit gutem Schulabschluss und viel Freizeit gelten", sagt Krumm: "Wer jedoch nie eine Fremdsprache gelernt hat, mitunter ein anderes Alphabet kennt und einen harten Arbeitstag hat, wird das nicht schaffen." Es sei eine "Falle" des geplanten Gesetzes, dass alle Zuwanderer über einen Kamm geschert würden, meint sein Kollege Rudolf de Cillia: "Für jene Gruppen, für die es gedacht ist, sind die Vorgaben unrealistisch."

Bis zu 1000 Kursstunden für Level B1

Vor allem dann, ergänzen die Wissenschafter, wenn sie Förderung ergattern wollen. Der Staat zahlt für A2-Kurse nur mehr dann die Hälfte der Kosten, wenn diese in 18 Monaten absolviert werden - bisher betrug die Frist zwei Jahre. Verlieren die Zuwanderer den Wettlauf, bleiben sie auf saftigen Kosten sitzen. Laut Berufsförderungsinstitut sei der Sprung aufs Level B1, das für einen dauerhaften Aufenthalt binnen fünf Jahren erreicht werden muss, mit 300 bis 400 Kursstunden à fünf Euro möglich. Mario Rieder, Leiter der Wiener Volkshochschulen, kalkuliert aus Erfahrung sogar mit bis zu 1000 Kursstunden. Zwar gäbe es Förderungen der Stadt, doch andere Bundesländer seien weniger freigiebig. Vergleich: In Deutschland zahlen Kursteilnehmer nur einen Euro Selbstbehalt.

Für "mehr als die Hälfte"der Betroffenen befürchtet Rieder "massive Probleme", die neuen Vorgaben zu schaffen, zumal das Gesetz nichts für bessere Rahmenbedingungen - etwa Kurse mit Kinderbetreuung - tue. Dafür sind die Strafen umso bedrohlicher. Laut Gesetz drohte zwar schon bisher die Ausweisung, wenn Deutsch nicht innerhalb der fünf Jahre erlernt wurde - doch de facto habe das die Menschenrechtskonvention verhindert, heißt es aus dem Innenministerium: Nach der neuen Zwei-Jahres-Frist hingegen könnten Gescheiterte sehr wohl außer Landes verfrachtet werden.

Den Sprachwissenschafter Krumm schaudert es: Anreize ja, doch Angst vor Sanktionen hemme die Lernfähigkeit. Zudem würden Menschen für ihre geistige Kapazität, für die sie zum Teil nichts könnten, bestraft: "Genauso gut könnte man Analphabeten das Wahlrecht entziehen." (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2011)

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