
Der beobachtete "Temperatursturz" in Cassiopeia A ist für die Astronomen Beweis für Suprafluidität in Neutronensternen.
Die Entdeckung eines rapiden "Temperatursturzes" auf einem ultradichten Stern lieferte Astronomen den Beweis für einen äußerst bizarren Materiezustand im Kern des Himmelskörpers. Zwei unabhängige Forscher-Teams analysierten Daten des Chandra Weltraumteleskops der NASA und konnten nachweisen, dass das Innere eines Neutronensterns suprafluide und supraleitende Eigenschaften aufweist. Die Erkenntnisse liefern den Wissenschaftern wichtige Hinweise für das Verständnis von subatomaren Vorgängen in superdichter Materie.
Das Supernova-Überbleibsel Cassiopeia A in 11.000 Lichtjahren Entfernung ist der Rest eines großen Sterns, der aus terrestrischer Sicht vor etwa 330 Jahren explodierte. Beobachtungen mit dem Röntgenteleskop Chandra zeigten, dass der Neutronenstern, der nach der Supernova übrig blieb, sich in einem Zeitraum von zehn Jahren um etwa vier Prozent abgekühlt hatte.
"Dieser Temperaturrückgang, so klein er auch scheint, war wirklich dramatisch und hat uns alle überrascht," meint Dany Page, Leiter von einem der beiden Forscherteams von der National Autonomous University in Mexiko. "Es zeigte uns, dass etwas Ungewöhnliches im Inneren dieses Neutronensterns vor sich ging."
Neutronensterne bestehen aus der dichtesten bekannten Materie, die noch direkt zu beobachten ist. Ein Teelöffel voller Neutronenstern-Material entspräche einer Masse von etwa sechs Milliarden Tonnen. Der Druck im Inneren eines solchen Sternes presst die meisten Elektronen und Protonen zusammen, sodass das Objekt zum größten Teil aus Neutronen und nur einigen wenigen freien Elektronen und anderen Partikeln besteht.
Materie mit bizarren Eigenschaften
Aktuelle Modelle gehen davon aus, dass derart dichtgepackte Materie unter anderem auch suprafluide Eigenschaften aufweisen könnte. Suprafluidität ist ein reibungsfreier Zustand, der bei Versuchen in Labors zu erstaunlichen Phänomenen geführt hat. So sind Superflüssigkeiten beispielsweise die Wände ihrer Gefäße hochgeflossen oder luftdicht verschlossenen Behältern entkommen. Superflüssigkeiten aus geladenen Teilchen zeigten darüber hinaus supraleitende Eigenschaften.
"Die schnelle Abkühlung im Neutronenstern von Cassiopeia A ist der erste direkte Beweis dafür, dass Neutronensterne aus suprafluider und supraleitender Materie besteht," meint Peter Shternin, Leiter des zweiten Forschungsteams vom Ioffe-Institut in St Petersburg. Die Theorie geht davon aus, dass junge Neutronensterne Neutrinos in großer Zahl produzieren und damit Energie verlieren; der stete Strom dieser nahezu masselosen Teilchen bewirkt eine Abkühlung über mehrere Jahrzehnte hinweg und führt schließlich zum suprafluiden Zustand. Die Beobachtungen der beiden Teams an Cassiopeia A decken sich demnach mit dieser Theorie.
Suprafuid bei hohen Temperaturen
Im Unterschied zu künstlich erzeugten Suprafluiden auf der Erde, wo sie nur bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt auftreten, kann dieser Zustand der Materie auf Neutronensterne auch bei extrem hohen Temperaturen entstehen. Möglich wird dies durch die hohe Dichte. Bisher war nicht sicher, wie hoch die kritische Temperatur tatsächlich sein muss, doch die aktuellen Studien grenzen den möglichen Bereich nun von einer halben Milliarde bis zu einer Milliarde Grad Celsius ein.
Die von den beiden Teams bereitgestellten Ergebnisse sind nicht nur für das Verständnis von Neutronensternen von Bedeutung. Nun können Wissenschafter auch Modelle über die Kernkraft in ultradichter Materie erstellen. (red)