Mit geheimnisvollen Andeutungen über eine neue Friedensinitiative versucht Israels Premier Benjamin Netanjahu auf den Umbruch im Nahen Osten zu reagieren. Die nicht so neue Grundidee soll darin bestehen, rasch einen Palästinenserstaat in provisorischen Grenzen zu schaffen und dann nach und nach in Verhandlungen die kniffligen Kernfragen zu lösen. Netanjahus Umfeld signalisiert, dass der Premier demnächst in einer politischen Rede die Details vorlegen will. Erst kürzlich hatte die Tageszeitung Haaretz gemeldet, Netanjahu habe die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihm den Stillstand im Friedensprozess anlastete, mit dem Hinweis auf eine bevorstehende Initiative zu besänftigen versucht.

Anfang September hatte US-Präsident Barack Obama die beiden Parteien endlich an einen Tisch gebracht. Nur drei Wochen danach war aber alles schon wieder vorbei, als Israel ein Siedlungsausbau-Moratorium nicht verlängerte. Seither weigern sich die Palästinenser, die Verhandlungen fortzusetzen. Netanjahu spürt nun den Druck der internationalen Gemeinschaft. Die Befürchtung ist, dass die Unruhe in der arabischen Welt die Palästinenser "anstecken" könnte und dass die letzte Gelegenheit zu einer ausgehandelten Zwei-Staaten-Lösung verloren geht, weil Schlüsselmächte wie Ägypten oder Saudi-Arabien sie vielleicht in Zukunft nicht mehr unterstützen werden. Die Palästinenser ihrerseits scheinen den Glauben an Gespräche verloren zu haben und bemühen sich um die "einseitige" Anerkennung eines unabhängigen Staates durch die Uno oder einzelne Staaten.

Das "Nahostquartett", bestehend aus UN, EU, USA und Russland, versucht nun rettend einzugreifen und hatte für Mittwoch separat israelische und palästinensische Vertreter zu Konsultationen nach Brüssel geladen. Das Treffen mit den Israelis dürfte aber erst nächste Woche in Jerusalem zustande kommen.

Netanjahus Plan soll auf Konzepten basieren, die unabhängig voneinander sein Außenminister Avigdor Lieberman und Exverteidigungsminister Schaul Mofas von der oppositionellen Kadima-Partei vorgeschlagen hatten. Die Palästinenser sollen demnach zunächst auf 50 bis 60 Prozent des Westjordanlands einen Staat ausrufen, dort Institutionen aufbauen und parallel mit Israel "von Staat zu Staat" über die endgültigen Grenzen verhandeln. Die palästinensische Führung lehnt aber langfristige Interimslösungen ab und sieht im neuen Vorstoß Netanjahus nur ein Ablenkungsmanöver. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 3.3.2011)