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Die "USS Kearsarge" im Suez-Kanal auf dem Weg ins Mittelmeer.

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Ein Krater nach einem Luftangriff in Brega.

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Der Haager Strafgerichtshof nahm Ermittlungen auf.

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Washington/Den Haag/Tripolis - Robert Gates verzieht sein Gesicht zu einer Miene, die an einen Patienten vorm Zähneziehen denken lässt. "Es gibt eine Menge Geschwätz über diese militärischen Optionen" , sagt der US-Verteidigungschef. "Aber lassen Sie uns die Dinge beim Namen nennen. Eine Flugverbotszone beginnt mit einem Angriff auf Libyen."

Es sei ja nicht so, dass kein libyscher Bomberpilot mehr aufsteige, sobald der Westen eine "no-fly zone" beschließe, warnt er. Libyens Herrscher Muammar al-Gaddafi werde sich wehren, "es fängt damit an, dass wir Libyens Luftverteidigung ausschalten müssen" . Außerdem brauche man für eine solche Zone mehr Flugzeuge, als auf einem Flugzeugträger Platz hätten. "Es ist eine große Operation in einem großen Land" .

Eingreifen oder nicht? Und wenn ja, wie schnell? Angesichts der Gewalt Gaddafi-Regimes ist das eine Frage, die in westlichen Hauptstädten kontrovers diskutiert wird.

In Washington haben sich grob zwei Lager herauskristallisiert. Das eine, zu dem Gates gehört, lässt spüren, dass sich eine arg strapazierte US-Armee neben Afghanistan und Irak nicht noch einen dritten Krieg in der islamischen Welt aufhalsen will. Die andere Denkschule, angeführt vom früheren demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry und dem Republikaner John McCain, sieht Libyen als klassischen Fall für eine humanitäre Intervention, vergleichbar mit Bosnien oder dem Kosovo.

Obama wägt Optionen ab

Klar scheint, dass es noch dauern wird, ehe Barack Obama Entscheidungen trifft. Der Präsident gilt als gründlicher Analytiker, der sich lange mit Vertrauten berät, ehe er sich festlegt. Die Entsendung der beiden Kriegsschiffe "USSPonce" und die "USS Kearsarge", die am Mittwoch den Suezkanal in Richtung Mittelmeer passierten, gilt aber eher als symbolischer Akt.

Was zumindest das Pentagon am meisten fürchtet, ist ein Szenario, bei dem Amerika am Ende praktisch die alleinige Verantwortung für eine Militäraktion trägt - und dass die europäischen Verbündeten ihren wohlfeilen Worten zu wenige Taten folgen lassen.

Einig ist sich aber auch Europa nicht. Gefragt nach den Vorbereitungen für eine Flugverbotszone, erklärte eine Nato-Sprecherin am Donnerstag, "für jeden Eventual-Fall" gerüstet sein. Alle 28 Nato-Mitglieder hätten bei einem Treffen am Mittwoch jedenfalls "große Sorge über die anhaltende Gewalt und die ernste humanitäre Lage in Libyen gezeigt" .

Der französische Außenministers Alain Juppé erklärte, Frankreich sei mit Großbritannien bereit, sich an einer Flugverbotszone über Libyen zu beteiligen - falls sich die Lage in dem nordafrikanischen Land verschlechtern sollte. Sein Kollege aus London, William Hague, teilte mit, beide Staaten würden alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den Druck auf Gaddafi zu erhöhen.

Skepsis gegenüber einer militärischen Aktion herrscht dagegen in Berlin vor: Eine militärische Intervention in Libyen wäre kontraproduktiv, ließ der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstag wissen. Auch aus Ankara kam die Empfehlung, von einer militärischen Intervention abzusehen - die Fehler aus dem Irak solle man nicht wiederholen.

Unabhängig davon hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag am Donnerstag offizielle Ermittlungen wegen der Gewalt in Libyen eingeleitet. Gaddafi und sein Clan, zu dem auch einige seiner Söhne und die verschiedenen Sicherheitschefs gehörten, würden mutmaßlich "die größte Verantwortung für die schwersten Verbrechen tragen" , teilte der Chefankläger Luis Moreno Ocampo mit. "Niemand hat die Befugnis, Zivilisten anzugreifen."

Unterdessen wurde in Libyen auch am Donnerstag weiter gekämpft. Die von Rebellen gehaltene Ölstadt Brega wurde laut Augenzeugen erneut aus der Luft angegriffen. Die strategisch wichtige Stadt etwa 800 Kilometer östlich von Tripolis war am Mittwoch kurzzeitig in die Hand von Regierungstruppen geraten, die Rebellen eroberten sie aber zurück. Der Vorsitzende des libyschen Nationalrats der Rebellen, Mustafa Abdel Dschalil, lehnt einem Bericht des TV-Bericht zufolge jegliche Gespräche mit Gaddafi ab.

Venezuela erklärte später, Libyen habe den Friedensplan von Präsident Hugo Chavez akzeptiert. Er sehe eine internationale Kommission vor, die sich um eine Verhandlungslösung bemühen soll. (fh, raa, Reuters, AFP, dpa, AP/DER STANDARD, Printausgabe, 4.3.2011)