
Ja - mehr Frauen werden inkludiert, sagt WU-Professorin Edeltraud Hanappi-Egger. "Aber immer durch den Filter der Maskulinitätskonstruktion." Hunderte Mythen stützen die alten Machtverhältnisse, durch ihre versteckten Botschaften sind sie zu unreflektiertem Alltagswissen geworden.
STANDARD: Sie haben in Ihrem aktuellen Buch "Man, Management, Myth" mit empirischen Studien und mathematischen Modellen nach Mythen gesucht. Was haben Sie gefunden?
Hanappi-Egger: Hunderte Mythen, die sich darum ranken, warum Frauen manche Dinge können oder nicht. Es ist auch in den Einzelinterviews gut sichtbar geworden, dass etwa Frauen in der Technik - jene, die dieselbe Faszination für Technisches haben wie Männer - als "die anderen" wahrgenommen werden, wegen anhaltender Sexismen die Branche verlassen - mitsamt ihrer besten Qualifikation. Männliche Aufsichtsräte können beispielsweise schwer erklären, was genau die Qualifikationen für ein solches Mandat seien, "man hat es oder eben nicht, man braucht Erfahrung, man sollte auch eine Bilanz lesen können", heißt es da sehr nebulos. Aber zur Anschlussfrage, ob wir mehr Frauen in den Aufsichtsgremien brauchten, kam die ganz konkrete Antwort: Ja sicher, aber da dürfe nur und ausschließlich die Qualifikation entscheiden.
STANDARD: Helfen da nicht die Sichtweisen der versachlichteren Humankapitaltheorien?
Hanappi-Egger: Die sind nicht versachlicht, die unterstellen geschlechtsspezifische Sichtweisen. Sie unterstellen, dass Frauen, weil sie sich für Familie zuständig fühlen, aus rationalen Überlegungen und aus freier Entscheidung eher Ausbildungen und Jobs mit weniger hohem Commitment suchen - das reproduziert die immer gleichen Machtverhältnisse.
STANDARD: Wieso sind es die Mythen, die diese Machtverhältnisse weiter festigen?
Hanappi-Egger: Mythen sind intendierte Geschichten, sie haben eine Botschaft, die aber versteckt ist. Dadurch werden Mythen zu Alltagswissen und nicht mehr hinterfragt, ihr Inhalt ist normalisiert. Das führt zum Ausschluss von Menschen, die Gender-Bildern nicht entsprechen, respektive zum Selbstausschluss, wenn man sich nicht entsprechend sieht.
STANDARD: Aber es gibt Fortschritte in Gleichbehandlungsfragen ...
Hanappi-Egger: Es wird zunehmend von Frauen dasselbe verlangt wie von Männern - oder mehr. Das führt zu keiner Systemänderung, das ist in Wahrheit ein Mainstreaming. Nichts Privates soll die Leistungsfähigkeit in der Funktion stören. Ich höre in Frauenrunden oft, dass diskutiert wird, möglichst nicht zu erwähnen, dass man Kinder hat. Das würde ein Mann doch nicht machen, oder?
STANDARD: Sehr ernüchternd ...
Hanappi-Egger: Na ja, derzeit ist der Druck auf das Thema groß. Von innen ist das System aber offensichtlich nicht zu ändern, da Mythen trickreich und anpassungsfähig sind. Ja, oberflächlich betrachtet läuft alles gar nicht so übel: Wir inkludieren Frauen jetzt stärker - aber, und das ist der Punkt: immer durch den Filter der Maskulinitätskonstruktion. Das bedeutet nicht Diversität.
STANDARD: Quoten von außen helfen?
Hanappi-Egger: Lassen Sie mich mit dem Zitat eines im Buch befragten Aufsichtsrates antworten: Quoten sind der effizienteste Weg, die Beschickung von Aufsichtsräten auf eine sachliche Basis zu stellen. Man muss sich die gewünschten Kompetenzen im Gremium überlegen und kann nicht mehr selbstverständlich auf Freundeszirkel zurückgreifen. (Karin Bauer/DER STANDARD; Printausgabe, 5./6.3.2011)