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Ein Triumph für Faymann, als sich Merkel hinter ihn stellte

Foto: EPA/ROBERT SCHLESINGER

Niemand soll behaupten, dass die Euro-Länder völlig zerstritten in den kommenden Sondergipfel zur Stärkung des Euro-Rettungsschirms gehen. Schließlich sind sich Sozialdemokraten und Konservative, Deutsche und Franzosen in einem Punkt einig: Eine Finanztransaktionssteuer muss her, wenn nicht weltweit, dann in der EU.

Dieser Konsens könnte wohl von Bundeskanzler Werner Faymann als Erfolg ausgelegt werden, denn keiner hat die Einführung dieser Abgabe mit so viel Vehemenz getrommelt wie er. Was für ein Triumph, als bei seinem Berlin-Besuch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in dieser Frage voll und ganz hinter ihm stand!

Aber hier hören die guten Nachrichten schon auf. Die Finanztransaktionssteuer ist im Augenblick ein Nebenthema, das aus politisch-populistischen Gründen hochgespielt wird, weil es bei den wichtigen Punkten über die Zukunft der Eurozone immer noch massive Uneinigkeiten gibt. Mehr noch: Eine solche Steuer geht an den derzeit – und auch in den kommenden Jahren –brennenden Fragen völlig vorbei.

Drei Entscheidungen müssen die Euroländer am kommenden Freitag und in den folgenden Monaten treffen:

1) Wie groß soll der Solidarbeitrag der solventen Euroländer im Norden, darunter auch Österreich, zur Stabilisierung der maroden Südstaaten sein? Welche Zinsen sollen für Kredite aus dem Euro-Rettungsschirm etwa für Irland zu zahlen sein?

2) Wie kann im Gegenzug sichergestellt werden, dass die fundamentalen Ungleichgewichte in der Eurozone bei Verschuldung und Wettbewerbsfähigkeit schrumpfen und auch in Zukunft nicht wieder aufbrechen?

3) Sollen private Gläubiger, sprich vor allem die Banken, selbst durch einen Schuldenverzicht („Haircut“) zur Kasse gebeten werden, um so die Schuldenlast der Staaten zu reduzieren? Und wenn ja, wie bald soll das geschehen?

Ziel der Eurostaaten ist es, die Finanzmärkte – also Banken und Fonds - so weit zu beruhigen, dass sie von selbst wieder bereit sind, griechische, irische oder portugiesische Staatspapiere zu kaufen, ohne horrende Zinsaufschläge dafür zu verlangen. Wenn das gelingt, dann löst sich die Krise von selbst auf.

Zu all dem kann eine Finanztransaktionssteuer überhaupt keinen Beitrag leisten. Auch wenn Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gerne so tut, als wären böse Spekulanten Schuld an der Eurokrise, aber selbst die Pariser Regierung weiß, dass dies ein hanebüchener Unsinn ist.

Man muss kein Spekulant sein, um an der langfristigen Solvenz Griechenlands oder Irlands zu zweifeln. Auch eine Abgabe auf kurzfristigen Finanztransaktionen würde die Zinsaufschläge auf deren Staatsschulden um keinen Prozentpunkt verringern.

Faymann, Sarkozy & Co geht es auch um Gerechtigkeit. Die Verursacher der Finanzkrise sollen zur Kasse gebeten werden – und das waren die Banken. Die Finanztransaktionssteuer wäre de facto eine weitere Bankenabgabe. Wer das will, soll das offen sagen und nicht dies eine Nebelwand aus  anonymer Finanzmärkten und Spekulationen hervorzaubern.  

Im Augenblick aber geht es ja in der Eurokrise gerade darum, den Banken neben der bereits beschlossenen Bankensteuern und den schärferen Eigenkapitalvorschriften eine weitere Belastung zu ersparen. Wer sie zur Kasse bitten will, der kann sie an der Entschuldung der Euro-Krisenstaaten teilhaben lassen. Sie auf einer Seite zu schonen und auf der anderen Seite zu scheren, wäre ziemlich pervers.

Und dazu kommt, dass Großbritannien niemals einer solchen Steuer zustimmen wird, wenn die USA nicht an Bord sind. Und dies ist so gut wie ausgeschlossen. Man kann die Steuer daher gefahrenlos fordern, ohne sich mit Kosten und Nutzen auseinanderzusetzen. Ein Traum für jeden Politiker!

Der Ruf nach einer Finanztransaktionssteuer ist eine Augenauswischerei, Ausdruck von Ratlosigkeit über den richtigen Kurs zur Stabilisierung der Eurozone und politisch motivierter Unaufrichtigkeit.  Dass so viele europäische Politiker wider besseres Wissens hier mitmachen, stellt Europa ein äußerst schlechtes Zeichen aus.

Bloß bei Faymann drängt sich der Verdacht auf, dass er wirklich fest daran glaubt, dass die Finanztransaktionssteuer die größten Probleme der Eurozone lösen würde.  Fast würde man sich wünschen, dass Österreichs mächtigster Politiker sich ebenso wie seine Eurozonen-Kollegen von Verlogenheit und nicht von intellektueller Einfalt leiten lässt.