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Mit dem Gong schlägt es 75 Milliarden Dollar: Facebook erzielte einen neuen Bewertungsrekord, was auch die Nachfrage von Investoren an allen Arten sozialer Medien weiter beflügelt.

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Wien - Es vergeht keine Woche, in der nicht junge Onlinefirmen neue schwindelerregende Bewertungen erzielen. Vergangenen Freitag toppte Facebook seinen informellen Marktwert: Auf SecondaryMarket, einer Handelsplattform für Anteile nichtbörsennotierter Unternehmen, erzielten die Aktien 30 Dollar pro Stück - hochgerechnet 75 Milliarden Dollar (53, 5 Mrd. Euro). Eine Woche davor waren es "erst" 70 Mrd., im Jänner 50 Mrd. Als Microsoft 2007 um 240 Mio. Dollar 1,6 Prozent erwarb, entsprach dies einem Firmenwert von 15 Mrd. Dollar.

Die Bewertung von Twitter, das Microblog mit seinen 140-Zeilen-Tweets, erklomm vergangene Woche mit 7,7 Mrd. Dollar gleichfalls neue Höhen, als bei SharesPost - ein Konkurrent von SecondaryMarket - Firmenanteile des Startups um 34,50 Dollar pro Aktie versteigert wurden. Noch im Dezember wurde Twitter bei einer Finanzspritze mit der Hälfte dieser Summe bewertet.

Einem anderen Jungspatz, Demand Media, ist Ende Jänner der Sprung an die "richtige" Börse vergoldet worden: Schon am ersten Handelstag erzielte der Fließbandproduzent von suchmaschinenoptimierten Artikeln mit 1,5 Mrd. Dollar eine höhere Bewertung als die altehrwürdige New York Times. Das wiederum treibt den Preis anderer Content-Lieferanten hoch: Vor wenigen Wochen übernahm AOL das Blogimperium HuffingtonPost um 315 Millionen Dollar. Dabei hat AOL mit Blasen besonders schmerzhafte Erfahrungen: 2000 markierte America Online, einer der frühesten Internetprovider der USA, mit dem Kauf von Time Warner den Höhepunkt der ersten Dotcom-Blase - um nach deren Platzen von dem Medienriesen verdaut und wieder ausgespuckt zu werden.

"Eine Blase definiert sich dadurch, dass zu viel Geld Anlagen hinterherjagt, dass in der Folge mehr von diesen Anlagen produziert werden, die dann noch größere Narren finden müssen, die sie kaufen", erklärt Alan Patrick, Mitbegründer der Techberatung Broadsight auf seinem Blog Broadstuff. Ausgangspunkt neuer Blasen seien stets "Das , Neueste Neue', das die ,Old Economy' überwindet und darum nicht auf die ,Alte Art' bewertet werden kann." Patricks Übersetzung für das Neueste Neue: Social Media, Webservices wie Facebook oder Twitter. "Wenn Ihnen der Taxifahrer Ratschläge gibt, welche Aktien Sie kaufen sollen und wie Sie in Ihre Pensionsvorsorge investieren", dann wäre das Ende nahe.

Risikoinvestoren läuten Warnglocken

Warnglocken läuten inzwischen auch Risikoinvestoren wie Fred Wilson von Union Square Ventures, ein Überlebender der ersten Dotcom-Blase 1999/2000. Start-ups mit zwei oder drei Gründern könnten heute Bewertungen von 50 bis 100 Millionen Dollar für ihre Idee erzielen, "das ist besorgniserregend", erklärte er im - gleichfalls von AOL aufgekauften - Blog Techcrunch. Er nennt Quora als Beispiel, eine Frage-Antwort-Site zweier Ex-Facebooker, die im Vorjahr eine Bewertung von 86 Mio. Dollar erzielte und zuletzt ein Kaufangebot von 330 Mio. Dollar ausschlug.

Viel Investorengeld fließt derzeit auch den Herstellern von Onlinespielen zu. Zynga, dessen Facebook-Spiel Farmville virtuelle Schweinderln in einen Goldesel verwandelte, will bei einer neuen Finanzierungsrunde eine Bewertung von sieben bis neun Mrd. Dollar erzielen - doppelt so viel als erst vor einem Jahr.

Wettstreit um Filetstück

Aber die Narretei wird nicht so leicht sichtbar, wenn sich hochprofitable Konzerne wie Google und Microsoft einen Wettstreit um die Filetstücke der neuen Internetwelle namens Social Media liefern. So machte Google dem Schnäppchenportal Groupon ein Angebot um sechs Milliarden Dollar. Aber das 2008 gegründete Start-up lehnte ab - und verhandelt anstelle dessen jetzt mit Investmentbanken über einen Börsengang. Angepeilter Marktwert: 15 Milliarden Dollar.

Googles Übernahmemaschine läuft auf Hochtouren. Mit 48 Firmen und einem Aufwand von 1,8 Mrd. Dollar verzeichnete der Onlinekonzern im Vorjahr bei Zukäufen einen Rekord - und wird auch heuer eine "aggressive" Strategie" verfolgen, verriet Google-Vizepräsident David Lawee dem Wall Street Journal.

Dass jedoch die Übernahme von Start-up-Liebkindern noch kein Erfolgsrezept ist, kann Rupert Murdoch bezeugen: Als er 2005 Facebook-Vorläufer Myspace um 580 Mio. Dollar übernahm, wollte er aller Welt zeigen, dass auch in Old Media neues Leben steckt - inzwischen will er das defizitäre Netzwerk wieder loswerden. (Helmut Spudich, DER STANDAD; Print-Ausgabe, 7.3.2011)