Silvio Berlusconi hat erstmals seine Bereitschaft angekündigt, persönlich bei den vier gegen ihn laufenden Prozessen zu erscheinen.

Sein Anwalt Niccoló Ghedini teilte mit, der Premier werde den Richtern in Zukunft nach Möglichkeit jeden Montag zur Verfügung stehen. Dabei könnten am Vormittag und Nachmittag auch zwei Verhandlungen in unterschiedlichen Verfahren abgewickelt werden. Den Vorschlag machte Ghedini der Präsidentin des Mailänder Tribunals, Livia Pomodoro. Die Richter äußerten die Absicht, in jedem der Prozesse mindestens zwei Verhandlungstage pro Woche festzusetzen.

Berlusconi ist in den vergangenen zehn Jahren nur einmal vor Gericht erschienen: Am 17. Juni 2003 verlas er im Korruptionsprozess um den Verkauf des SME-Konzerns eine Erklärung, weigerte sich aber, auf die Fragen der Richter zu antworten. Seither entzog er sich allen Vorladungen mit Hinweis auf Regierungsverpflichtungen. Das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts hat diese Möglichkeiten stark eingeschränkt.

Im Mailänder Gerichtspalast löst nicht nur der erwartete Großansturm von Journalisten und Kamerateams aus aller Welt Besorgnis aus. Schon seit Tagen demonstrieren hunderte Anhänger des Cavaliere auf dem Platz vor dem Gebäude gegen die "Verfolgung" des Premiers durch die Justiz. Auf zahlreichen Plakaten ermuntern sie den Regierungschef: "Silvio, leiste Widerstand!"

Schadenersatz bei Fehlern

Indessen hat Berlusconi am Wochenende eine "epochale Justizreform" angekündigt, die auf einer Sondersitzung des Ministerrats am Donnerstag präsentiert werden soll. Kernpunkte sind die Trennung der Laufbahnen von Richtern und Staatsanwälten und die zivilrechtliche Verantwortung der Richter. Diese können in Zukunft bei Fehlentscheidungen auf Schadenersatz geklagt werden.

Es handelt sich um eine Verfassungsreform, für die eine zweimalige Lesung in beiden Flügeln des Parlaments nötig ist. Anschließend muss sie durch eine Volksabstimmung bestätigt werden. Bis zur Verwirklichung der Reform könnten zwei Jahre vergehen.

Zusätzliche Initiativen sollen Berlusconi in seinem Kampf gegen die Justiz unterstützen. So soll die vom Senat genehmigte Einschränkung richterlicher Lauschangriffe nun von der Kammer verabschiedet werden. Auch die Verkürzung der Verjährungsfristen hat im Parlament gute Chancen auf baldige Genehmigung. (Gerhard Mumelter aus Rom, STANDARD-Printausgabe, 07.03.2011)