Viel Aroma, keine Zukunft - das Aus für die "Nil" ist besiegelt.

Foto: Daniela Rom

"Was kann man sagen über eine Zigarettenmarke von 110 Jahren, die gestorben ist? Dass sie edel war. Und ein Exot. Dass sie Künstler liebte und Exzentriker. Und mich." Würde Erich Segal den Nachruf auf die "Nil" schreiben, hätte er vielleicht diese Anfangssätze gewählt. Stattdessen widmete er sie so oder so ähnlich 1970 seinem Roman "Love Story". Der darauffolgende Film erreichte Kultstatus, da er genau das Lebensgefühl einer Generation traf.

Die "Nil" traf das Lebensgefühl gleich mehrerer Generationen. Geboren 1901 reiht sich die von der Österreichischen Tabakregie, der Vorläuferin der Austria Tabak, mit einem acht-prozentigen Hanf-, sprich: Marihuana-Anteil in die Reihe anderer orientalischer Zigaretten ein. Mit klingenden Namen wie Salem No. 6, Arabische Nächte oder Harem ist sie zunächst in guter Gesellschaft. Im Jahr 1929 ist für die "Nil" dann aber erst mal der Ofen aus. Vier Jahre zuvor wird Hanf bei der 2. Internationalen Opiumkonferenz zur illegalen Droge erklärt - die Herstellung von Orient-Zigaretten kurzerhand verboten. Quasi über Nacht hatte man der "Nil" das Rückenmark gezogen, nichts unterscheidet sie mehr von den herkömmlichen Zigaretten.

Marken-Doping

Der wahre Todesstoß aber kommt erstmals 1950, der Zeit des Wilden Westens. US-amerikanische Marken überschwemmen Europa. Doch die Marke derrapelt sich wieder. 1957 wirft die Austria Tabak zusätzlich zur klassischen, filterlosen "Nil", mit dem charakteristischen ovalen Querschnitt eine Filterversion der Zigarette auf den Markt, die bis 1976 erhältlich ist.

Nach kurzem Anziehen des Absatzes folgt eine weitere Durststrecke. Erst Ende der 1990er Jahre wird die Marke von der Austria Tabak mit einer zusätzlichen Light-Version neu ausgerichtet und stark beworben. Zum 100. Geburtstag 2001 schließlich erscheint eine Sonderedition der Marke mit Schwarz-Weiß-Fotos österreichischer und deutscher Künstler auf den Schachtelrückseiten: "49 Jahre Flatz. 100 Jahre Nil." "10 Jahre Geschwister Pfister. 100 Jahre Nil." Des Marketing-Dopings nicht genug, werden sechs Jahre später in Anlehnung an den Markennamen "Nil" fünf bekannte Flüsse anstelle des markanten "Nil"-Schriftzuges aufgebracht, darunter Donau und Rhein. Doch auch diese Aktion läuft den Bach hinunter. Ähnliche Marketing-Aktionen will die Austria-Tabak, mittlerweile in den Händen der Japan Tobacco International, nicht mehr verpulvern. Die Produktion der ältesten deutschsprachigen Zigarettenmarke wird mit Ende März gestoppt. "Wir verstehen, dass für manchen Raucher viel Herzblut an der 'Nil' hängt", so Konzernsprecher Walter Sattelberger auf derStandard.at-Anfrage, "aber wir müssen uns nach den betriebswirtschaftlichen Marktgegebenheiten richten."

Aufgrund des Erfolgs der "Love Story" blieb Jennifer, die todgeweihte Protagonistin des Romans, zwischen 1970 bis 1984 einer der beliebtesten Vornamen in den USA. Gilt abzuwarten, ob auch "Nil" Eingang ins Geburtenregister findet. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 7.3.2011)