Mit seiner Erklärung, dass die Staatengemeinschaft den "systematischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung" durch libysche Truppen nicht tatenlos zusehen könne, hat Nato-Generalsekretär Anders Vogh Rasmussen auch bei den Abgeordneten im Europaparlament in Straßburg einige Bewegung ausgelöst. Insbesondere bei seiner Bemerkung, dass das Vorgehen von Staatschef Muammar al-Gaddafi als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gewertet werden könnte, wurden manche an das Frühjahr 1999 erinnert.

Damals griff die Nato in ihrem ersten Militäreinsatz in der Geschichte Serbien an wegen der systematischen Vertreibung von Albanern aus dem Kosovo: zunächst mit massiven Luftschlägen gegen militärische Einrichtungen; und ohne Mandat der UN, nachdem alle Versuche zum Beschluss eines Mandates am Veto Chinas und Russlands im Sicherheitsrat gescheitert waren. Die UN-Charta erlaubt Staaten ausdrücklich ein militärisches Eingreifen, wenn damit Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindert werden können, wie der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärt hatte - auch ohne formelles Mandat.

Anders als damals sprechen sich heute prominente österreichische EU-Abgeordnete relativ offen für eine Militäraktion gegen Libyen aus - aber unter der Bedingung, dass es einen UN-Auftrag gibt und die libysche Bevölkerung ebenso wie die Arabische Liga oder die Afrikanische Union das befürworten, erklärten unisono die Grüne Ulrike Lunacek und SP-Mandatar Hannes Swoboda.

Militärbasen bombardieren

In diesem Fall "soll Österreich zustimmen - dann ist auch die Neutralität kein Problem", fuhr Lunacek fort. VP-Delegationschef Ernst Strasser wäre auch für eine Beteiligung Österreichs an einer internationalen Aktion von UN, Nato und EU. Allerdings sollten die Österreicher sich auf das konzentrieren, was sie können: Wiederaufbau, Evakuierung, Wasseraufbereitung, nicht Kampfhandlungen. Swoboda sieht vor allem den Einsatz österreichischer Polizisten in einer späteren Phase für sinnvoll an. Sollte die Nato ohne UN-Mandat tätig werden (was laut Strasser "nicht ganz auszuschließen ist", obwohl er auf eine UN-Aktion hofft), dann könne Österreich sich nicht beteiligen, stellt Swoboda klar. Er räumt aber ein, dass auch eine Flugverbotszone, wie sie geplant wird, "eine militärische Aktion ist".

Die EU solle jetzt einmal "die Möglichkeit einer solchen Zone über Libyen prüfen", verlangt Lunacek. Von einer isolierten Aktion der Nato hält die Grüne nichts.

Aber auch sie räumt ein, dass Militärschläge des Westens nötig werden könnten: "Wenn es möglich ist, dann sollte man die militärischen (libyschen) Basen an der Nordküste bombardieren. Das braucht ein UN-Mandat. Das müssen sich die Militärs anschauen, die sollen das sagen", erklärte die Abgeordnete Lunacek. (Thomas Mayer aus Straßburg, STANDARD-Printausgabe, 09.03.2011)