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Srdja Popović vor dem Emblem der serbischen Otpor-Bewegung: "Symbole senden eine Botschaft aus."

Foto: dapd/Vojinović

Mohamed Adel hat damals einfach nur Rat gesucht und sicher nicht geahnt, dass er das Werkzeug für eine Revolution in die Hände bekommt. Nach einer Massendemonstration von Textilarbeitern in Ägypten im April 2008 wollte der 20-jährige Aktivist wissen, wie man aus verärgerten Bürgern eine Protestbewegung macht, und flog im Sommer 2009 mit einigen anderen Ägyptern nach Belgrad. Dort nahm er an einem fünftägigen Training der Organisation Canvas, einer Art Revolutionsberatung, teil. Canvas entstand aus der Protestbewegung Otpor, die im Jahr 2000 mit Massendemonstrationen Slobodan Milošević stürzte.

Mohamed Adel gehörte nun bei der Revolte in Ägypten zum Kern jener Gruppe, die den Aufstand organisierte. Bei Canvas hat er gehört, wie man Gewalt verhindert, wie man auf Gewalt reagieren soll und wie man Massen mobilisiert. In Belgrad bewundert man die Professionalität der jungen Ägypter. Srdja Popović, einer der Köpfe der serbischen Revolution, betont aber, dass der Aufstand nicht nach Ägypten exportiert wurde. "Es ist ihr Sieg und hat nichts mit irgendwelchen Serben zu tun", sagt er dem Standard. Man habe nur Wissen beigesteuert.

Canvas ist ein Netzwerk internationaler Trainer, die Revolutionstechniken unterrichten. Seit der Gründung der Organisation 2004 haben Gruppen aus 37 Staaten solche Kurse besucht. "Manche von diesen Leuten waren in der Lage, unser Wissen und unsere Erfahrung zu nutzen", meint Popović. Die weiße Faust auf schwarzem Grund, das Symbol von Otpor fand sich jedenfalls bei anderen Revolutionen wieder. Canvas vermittelte Wissen an revolutionsbereite Georgier (Rosenrevolution 2003), Ukrainer (Orange Revolution 2006) und Malediver (2008). "Serbiens gewaltlose Revolution ist tatsächlich ein weltweit anerkannte Marke geworden", so Popović.

Canvas hat das Buch Gewaltloser Kampf, 50 entscheidende Punkte zusammengestellt, das auch ins Arabische und in Farsi übersetzt wurde und von der Canvas-Homepage allein im Nahen und Mittleren Osten 20.000-mal heruntergeladen wurde, zumeist von Iranern. Die wichtigsten Erfolgskriterien sind demnach:

  • Einheit der Opposition In Ägypten hat man sich auf ein Symbol geeinigt, die ägyptische Flagge. Und Christen und Muslime haben sich öffentlich gegenseitig unterstützt.
  • Gewaltlosigkeit Das Allerwichtigste, sagt Popović. Deshalb müsse man sich von potenziell gewalttätigen Gruppen fernhalten und jeden Konflikt mit Polizei oder Armee verhindern. Ein Steinewerfer könne alles zerstören.
  • Umformung entscheidender Institutionen In Serbien wie auch jetzt in Ägypten versuchten die Demonstranten mit den Sicherheitskräften zu fraternisieren und schenkten ihnen Blumen oder Kuchen. Entscheidend ist auch, Unterstützung in den Medien zu suchen.
  • Klare Identität Symbole wie die Faust oder eine Farbe wie in Georgien, der Ukraine oder dem Iran, aber auch Lieder und Slogans senden eine Botschaft aus und schaffen eine Marke.

    Popović verweist darauf, dass Canvas selbst keine Revolutionen organisiert oder spezifischen Rat erteilt. Sobald sich Ausländer in einen Aufstand einmischen würden, wäre dies kontraproduktiv: "Die Leute werden nur einer Agenda folgen, die bei ihnen zu Hause entwickelt wurde." Er sieht aber Ähnlichkeiten zwischen der Revolution in Serbien und jener in Ägypten, etwa in Form der Volksfeststimmung und des Humors. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2011)