Ohne auf Nachhaltigkeit zielende Auflagen wird das "Auge Gottes" nicht der letzte Todesfall in Wiens Kinolandschaft bleiben.

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Peter Zawrel: "Seltsame biologistische Metapher."

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Der österreichische Kinomarktführer Constantin (Marktanteil 2006: 33 Prozent, seitdem gestiegen) schließt ein veraltetes Wiener Fünfsaalkino mit 775 Sitzplätzen (von derzeit ca 40.000 Sitzplätzen der gesamten Constantin-Gruppe) aus betriebswirtschaftlichen Gründen und versucht der Öffentlichkeit einzureden, dass die "unzureichende Kinoförderung" der Stadt Wien diese Kinoschließung "erzwingen" würde.

Vor rund einem Jahr meinte die Constantin, sich die Sanierung des Tuchlauben-Kinos nicht leisten zu können, die nötig wäre, wenn es Bestandteil des Luxustempels werden soll, den der Tiroler Immobilieninvestor René Benko dort hochzieht. Das "Tuchlauben" wurde geschlossen, obwohl die Constantin für die Positionierung ihrer Innenstadtkinos (Actor's, Artis, Tuchlauben) von der Stadt Wien Förderungen erhielt – so wie früher schon das Atelier auf der Wollzeile geschlossen wurde.

Lange Zeit wurde vom "Kinosterben" gesprochen. Die biologistische Metapher suggerierte, dass Kinos kommen und gehen wie der Wald und wir alle daran schuld sind. Somit hilft nur noch die Förderung durch die öffentliche Hand. Im besten Fall dient diese einer nachhaltigen Entwicklung einzelner Standorte (in Wien vor allem: Gartenbaukino, Stadtkino und einzelne Arthouse-Kinos), im schlechtesten Fall einer künstlichen Lebensverlängerung oder gar Sterbehilfe.

Dass die Constantin das "Auge Gottes" sperren wird, war schon seit Jahren klar. Die einzige Alternative wäre eine Kehrtwende in der Programmierung, verbunden mit einer gestalterischen Durchlüftung gewesen. Säle mit Leinwänden von 10 und 12 Quadratmetern ("Auge Gottes", Saal C + E) am Leben zu erhalten, muss als Liebhaberei betrachtet werden, die sich auch die öffentliche Hand nicht leisten kann.

Aber selbst wenn das leistbar wäre: Wie soll das "Auge" überleben, wenn dort z.B. heute neun Filme gezeigt werden, von denen acht in der fünf U-Bahn-Minuten entfernten UCI Kinowelt Millennium City gezeigt werden? Nur digital, in 3D und in einem weitaus cooleren Ambiente? Und was, bitteschön, hat das mit einer Wiener Kinoförderung zu tun?

Halten wir doch einfach fest:

1. Das von der Constantin inkriminierte "Füllhorn", das die Stadt Wien über dem Gartenbaukino und anderen förderungswürdigen Lichtspieltheatern ausschüttet, kann gar nicht gut genug gefüllt sein.

2. Solange Kinoförderung nicht mit Auflagen und mittelfristigen Verpflichtungen verknüpft ist, die auf eine Nachhaltigkeit abzielen, werden weiterhin Kinos zugesperrt werden – egal ob aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen eines Verleih- und Kino-Konzerns wie der Constantin oder aus unternehmerischem Unvermögen eines Einzelnen.

(DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2011)